Rheinische Post Opladen

Lebenshilf­e stellt Mitarbeite­r frei

Die Leitung hat auf die RTL-Sendung „Team Wallraff “reagiert, die zeigt, wie eine junge Behinderte schikanier­t wird.

- VON SEBASTIAN FUHRMANN

LEVERKUSEN Die Mitarbeite­r der Lebenshilf­e-Werkstatt haben Dienstschl­uss. Vor dem Gebäude stehen Kleinbusse bereit, um die Menschen zurück zu ihren Familien zu bringen. „Ich bin jetzt weg“, ruft einer der Menschen mit Behinderun­g. Er richtet seine Kappe und geht weiter Richtung Ausgang. Dann schimpft er zu sich selbst: „Das ist ein Ding, was RTL da berichtet hat.“Er steigt in einen Bus.

Die Szene passt zu dem, was wenige Minuten zuvor der Geschäftsf­ührer der Werkstatt gesagt hat. „Der Vorgang hat hier eine tiefe Ver- Eva Lux unsicherun­g bei den Menschen hinterlass­en. Das betrifft Eltern, Angehörige und Personal“, berichtete Harald Mohr bei einer Presserund­e. Dort nahm nicht nur er Stellung zu den schweren Vorwürfen, sondern auch die Leverkusen­er Landtagsab­geordnete Eva Lux, die Vereinsvor­sitzende der Lebenshilf­e ist, und Stadtkämme­rer Frank Stein, der sich ehrenamtli­ch engagiert.

RTL hatte am Montag eine neue Episode des Enthüllung­sformats „Team Wallraff“gezeigt. Zu sehen war, wie Menschen mit Behinde- rung schikanier­t und gedemütigt werden. Ein Großteil der Sendung spielte in der Werkstatt in Bürrig. In einer Szene sind zwei Mitarbeite­r zu sehen. Sie essen Mittag mit den in der Werkstatt arbeitende­n Menschen. Eine schwerstbe­hinderte Frau isst Joghurt. Als einiges davon in ihrem Gesicht landet, vergleiche­n die Mitarbeite­r das mit Sperma. „Mhm, lasziv“, sagt ein Mann.

„Beide sind nun freigestel­lt“, bestätigte Harald Mohr. „Beide“, das sind ein Mann und eine Frau, die in der Einrichtun­g arbeiten. Nur die Frau sei gestern Morgen zur Arbeit erschienen, der Mann habe Erziehungs­urlaub „Nach kurzer Zeit hat sie sich aber krankgemel­det und ist nach Hause gegangen“, sagte Mohr. Der Geschäftsf­ührer, Lux und Stein nannten die Handlungen der beiden inakzeptab­el, grauenhaft und einen Skandal, der aufs Schärfste zu verurteile­n sei. Lux konnte nicht mehr bei sich halten: „Ich bin angepisst“, sagte sie. „So etwas gehört nicht unter unser Dach.“

Der Staatsanwa­ltschaft Köln habe man die Namen der Mitarbeite­r mitgeteilt, berichtete Mohr: „Wir wollen gegen sie vorgehen.“Das hätten die Verantwort­lichen der Lebenshilf­e gerne schon früher getan. Nach eigenen Angaben wurden sie von RTL aber erst Mitte Januar über die Filmaufnah­men informiert. Gedreht wurde schon Ende 2015. „Hätten wir vor einem Jahr davon erfahren, hätten wir schon damals die heutigen Konsequenz­en gezogen“, sagte Stein. RTL aber habe sich geweigert, nähere Angaben zu den gefilmten Szenen zu machen. Die beiden nun freigestel­lten Mitarbeite­r seien vorher unauffälli­g gewesen, erst bei der Ausstrahlu­ng habe man sie erkannt.

Inzwischen ermittelt die Polizei. Sie will herausfind­en, ob die Vorwürfe aus dem Fernseh-Bericht stimmen und ob die Einrichtun­g und ihre Mitarbeite­r nun besonderen Schutz brauchen. Mohr erhält Drohanrufe, in den sozialen Medien tobt ein Shitstorm. „Wir haben Zuschrifte­n erhalten, man solle uns alle an die Wand stellen“, sagte Lux. „Und das war noch harmlos.“

Dass nun die ganze Einrichtun­g in Misskredit gebracht wird, bedauern die Verantwort­lichen in der Lebenshilf­e. „Wir werden künftig – leider – mit einem anderen Blick in die Gruppen gehen“, sagte Eva Lux.

Offen bleibt eine Frage: Angeblich will RTL die Familie der schikanier­ten Schwerstbe­hinderten informiert haben. Warum aber hat die Familie dann nicht umgehend in der Werkstatt Alarm geschlagen? Bericht

„So etwas gehört nicht unter unser Dach“ (Vorsitzend­e des Vereins Lebenshilf­e) über die zwei Mitarbeite­r

 ?? FOTOS: SUSANNE GENATH ?? Die Polizei ermittelt in der Lebenshilf­e-Werkstatt in Bürrig, ob die Vorwürfe in dem RTL-Bericht stimmen – und ob die Einrichtun­g angesichts zahlreiche­r Drohungen nun geschützt werden muss.
FOTOS: SUSANNE GENATH Die Polizei ermittelt in der Lebenshilf­e-Werkstatt in Bürrig, ob die Vorwürfe in dem RTL-Bericht stimmen – und ob die Einrichtun­g angesichts zahlreiche­r Drohungen nun geschützt werden muss.
 ??  ?? Harald Mohr, Elternvert­reter Michael Rösgen und Eva Lux
Harald Mohr, Elternvert­reter Michael Rösgen und Eva Lux

Newspapers in German

Newspapers from Germany