Lebenshilfe stellt Mitarbeiter frei
Die Leitung hat auf die RTL-Sendung „Team Wallraff “reagiert, die zeigt, wie eine junge Behinderte schikaniert wird.
LEVERKUSEN Die Mitarbeiter der Lebenshilfe-Werkstatt haben Dienstschluss. Vor dem Gebäude stehen Kleinbusse bereit, um die Menschen zurück zu ihren Familien zu bringen. „Ich bin jetzt weg“, ruft einer der Menschen mit Behinderung. Er richtet seine Kappe und geht weiter Richtung Ausgang. Dann schimpft er zu sich selbst: „Das ist ein Ding, was RTL da berichtet hat.“Er steigt in einen Bus.
Die Szene passt zu dem, was wenige Minuten zuvor der Geschäftsführer der Werkstatt gesagt hat. „Der Vorgang hat hier eine tiefe Ver- Eva Lux unsicherung bei den Menschen hinterlassen. Das betrifft Eltern, Angehörige und Personal“, berichtete Harald Mohr bei einer Presserunde. Dort nahm nicht nur er Stellung zu den schweren Vorwürfen, sondern auch die Leverkusener Landtagsabgeordnete Eva Lux, die Vereinsvorsitzende der Lebenshilfe ist, und Stadtkämmerer Frank Stein, der sich ehrenamtlich engagiert.
RTL hatte am Montag eine neue Episode des Enthüllungsformats „Team Wallraff“gezeigt. Zu sehen war, wie Menschen mit Behinde- rung schikaniert und gedemütigt werden. Ein Großteil der Sendung spielte in der Werkstatt in Bürrig. In einer Szene sind zwei Mitarbeiter zu sehen. Sie essen Mittag mit den in der Werkstatt arbeitenden Menschen. Eine schwerstbehinderte Frau isst Joghurt. Als einiges davon in ihrem Gesicht landet, vergleichen die Mitarbeiter das mit Sperma. „Mhm, lasziv“, sagt ein Mann.
„Beide sind nun freigestellt“, bestätigte Harald Mohr. „Beide“, das sind ein Mann und eine Frau, die in der Einrichtung arbeiten. Nur die Frau sei gestern Morgen zur Arbeit erschienen, der Mann habe Erziehungsurlaub „Nach kurzer Zeit hat sie sich aber krankgemeldet und ist nach Hause gegangen“, sagte Mohr. Der Geschäftsführer, Lux und Stein nannten die Handlungen der beiden inakzeptabel, grauenhaft und einen Skandal, der aufs Schärfste zu verurteilen sei. Lux konnte nicht mehr bei sich halten: „Ich bin angepisst“, sagte sie. „So etwas gehört nicht unter unser Dach.“
Der Staatsanwaltschaft Köln habe man die Namen der Mitarbeiter mitgeteilt, berichtete Mohr: „Wir wollen gegen sie vorgehen.“Das hätten die Verantwortlichen der Lebenshilfe gerne schon früher getan. Nach eigenen Angaben wurden sie von RTL aber erst Mitte Januar über die Filmaufnahmen informiert. Gedreht wurde schon Ende 2015. „Hätten wir vor einem Jahr davon erfahren, hätten wir schon damals die heutigen Konsequenzen gezogen“, sagte Stein. RTL aber habe sich geweigert, nähere Angaben zu den gefilmten Szenen zu machen. Die beiden nun freigestellten Mitarbeiter seien vorher unauffällig gewesen, erst bei der Ausstrahlung habe man sie erkannt.
Inzwischen ermittelt die Polizei. Sie will herausfinden, ob die Vorwürfe aus dem Fernseh-Bericht stimmen und ob die Einrichtung und ihre Mitarbeiter nun besonderen Schutz brauchen. Mohr erhält Drohanrufe, in den sozialen Medien tobt ein Shitstorm. „Wir haben Zuschriften erhalten, man solle uns alle an die Wand stellen“, sagte Lux. „Und das war noch harmlos.“
Dass nun die ganze Einrichtung in Misskredit gebracht wird, bedauern die Verantwortlichen in der Lebenshilfe. „Wir werden künftig – leider – mit einem anderen Blick in die Gruppen gehen“, sagte Eva Lux.
Offen bleibt eine Frage: Angeblich will RTL die Familie der schikanierten Schwerstbehinderten informiert haben. Warum aber hat die Familie dann nicht umgehend in der Werkstatt Alarm geschlagen? Bericht
„So etwas gehört nicht unter unser Dach“ (Vorsitzende des Vereins Lebenshilfe) über die zwei Mitarbeiter