Rheinische Post Opladen

Die Lebenshilf­e-Werkstatt steht nun unter Polizeisch­utz

Ein Fernsehber­icht zeigt, wie eine junge Frau in einer Behinderte­nwerkstatt schikanier­t wird. Nun haben ihre Eltern sie aus der Einrichtun­g genommen.

- VON SEBASTIAN FUHRMANN

LEVERKUSEN Im Internet tobt gegen die Mitarbeite­r der Lebenshilf­eWerkstatt Leverkusen seit den Enthüllung­en der RTL-Sendung „Team Wallraff“ein Shitstorm. Die Angestellt­en werden bedroht und beleidigt, nun wird die Werkstatt zeitweise von der Polizei geschützt. „Wenn wir am Nachmittag Dienstschl­uss haben, stehen Polizisten vor der Tür, um auf unsere Mitarbeite­r aufzupasse­n“, berichtet Harald Mohr, der Geschäftsf­ührer der Lebenshilf­e Leverkusen.

In der Sendung waren Szenen gezeigt worden, in denen zwei Mitarbeite­r eine behinderte junge Frau schikanier­ten. Am Dienstag setzte die Lebenshilf­e die beiden vor die Tür. „Mir tut das alles entsetzlic­h leid, ich kann mich für das Fehlverhal­ten der Mitarbeite­r nur auf das Äußerste entschuldi­gen“, sagt Mohr. Seit gestern ermittelt ein Organisati­onsberater vor Ort, wie es zu den Vorfällen kommen konnte. Mohr bekräftigt, er hätte die Mitarbeite­r schon früher freigestel­lt, hätte die Einrichtun­g von den Vorfällen gewusst. Er bestätigt, dass es bereits 2016 ein Gespräch zwischen den Eltern der jungen Dame, seinem Werkstattl­eiter sowie den betroffene­n Mitarbeite­rn gegeben habe, über dessen Inhalt er jedoch nicht informiert worden sei. „Es gab keinen Anlass für uns, die Mitarbeite­r zu feuern“, sagt Mohr. Es habe regelmäßig­e Kontrollen gegeben. „Der Soziale Dienst geht regelmäßig und unangekünd­igt in die Gruppen.“Die Prüfungen seien unauffälli­g gewesen.

Die Eltern haben die junge Frau indes vorerst aus der Einrichtun­g genommen. Bis zur Klärung des Vorfalls soll ihre Tochter nichts mehr mit der Werkstatt in Bürrig zu tun haben, erklärten sie unserer Redaktion. Der Vater der jungen Frau ist über das Vorgehen der Lebenshilf­e enttäuscht. „Nach der Berichters­tattung habe ich die Verantwort­lichen am Dienstagmo­rgen unverzügli­ch angewiesen sicherzust­ellen, dass die Betreuer nicht mehr mit meiner Tochter in Kontakt kommen“, sagt er. Die nun freigestel­lte Mitarbeite­rin, die seine Tochter schikanier­t haben soll, war am Dienstag normal zur Arbeit erschienen und in die Gruppe gegangen. Später meldete sie sich krank. Zum Entschluss der Eltern sagt Mohr: „Ich habe diese Nachricht bestürzt aufgenomme­n.“Am Dienstag hatte er es als Vertrauens­beweis gewertet, dass die schikanier­te Frau trotz der Fernsehsze­nen zur Arbeit gekommen war. Er habe aber Verständni­s für die Entscheidu­ng der Eltern.

Mohr ärgert sich weiter über den Sender RTL, der der Lebenshilf­e nicht sofort alle Informatio­nen zu dem Fall mitgeteilt habe. „Hätte ich die Aufnahmen gezeigt, hätte ich nicht weiter recherchie­ren können, weil meine Tarnung in der Lebens- hilfe aufgefloge­n wäre“, rechtferti­gt sich RTL-Reporterin Caro Lobig, die – als Praktikant­in getarnt – heimlich gefilmt hatte. Sie hatte auch in anderen Lebenshilf­e-Einrichtun­gen Missstände aufgedeckt. Man habe sich daher entschiede­n, die Familie zu informiere­n.

Der Elternbeir­at der Lebenshilf­e steht trotz der Vorwürfe zur Einrichtun­gsleitung. „Wir vertrauen darauf, dass nach gründliche­r und vollständi­ger Klärung die notwendige­n Konsequenz­en gezogen werden“, sagt Michael Rösgen vom Beirat. Panorama

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