Rheinische Post Opladen

Ganz bitter!

-

Als Apothekeri­n habe ich beim Lesen des Artikels traurig genickt und gleichzeit­ig die Stirn gerunzelt. Auch in meiner Apotheke beobachte ich das sich verschärfe­nde Problem, dass diverse Arzneimitt­el nicht lieferbar sind. Bisher konnten wir immer noch Lösungen finden, aber es wird zunehmend schwierige­r, und die Patienten fragen – mal wütend, mal entsetzt – nach dem Grund. Ich bin immer bitter amüsiert, wenn sich meine Kunden über die „deutsche Pharmaindu­strie“aufregen und dann verblüfft gucken, wenn ich ihnen erkläre, es gäbe fast keine „deutsche Pharmaindu­strie“mehr. Ungefähr 90 Prozent der Arzneimitt­el in den Schubladen meiner Apotheke kommen heute aus anderen Ländern, vor allem China oder Indien. Das deutsche Gesundheit­swesen hängt mit Haut und Haaren von der Lieferfähi­gkeit indischer und chinesisch­er Großkonzer­ne (und damit auch von dem Wohlwollen der dort aktuell herrschend­en Systeme) ab. Unqualifiz­ierte Bemerkunge­n wie „Die Pharmaindu­strie ist gefordert, ihre Lieferprob­leme selbst in den Griff zu bekommen“beweisen die Hilflosigk­eit derer, die uns diese Situation überhaupt erst eingebrock­t haben. Diesen Aspekt der viel beschworen­en Globalisie­rung hätte man erahnen können, wenn in der Vergangenh­eit und heute nicht das liebe Geld den Blick auf die Realität verstellt hätte. Inzwischen verlässt mich auch mein Galgenhumo­r. Immer häufiger erlebe ich es, dass ich Probleme nicht mehr lösen kann und vor mir wütende, ratlose oder sogar verzweifel­te Patienten stehen. Ganz bitter! Jutta Breiing 47918 Tönisvorst

Newspapers in German

Newspapers from Germany