Rheinische Post Opladen

Bilanz eines Provokateu­rs

Wagenbauer Jacques Tilly zieht eine erste Bilanz: Es gab Hassattack­en, Todesdrohu­ngen, aber auch Charmeoffe­nsiven.

- VON BRIGITTE PAVÉTIC

Selbst für einen derart hart gesottenen und kampferpro­bten Satiriker wie Jacques Tilly, den mittlerwei­le weltbekann­ten Wagenbauer aus Düsseldorf, hatte es die Session 2017 in sich. „Der Karneval hat dieses Mal eindeutig eine neue Qualität erreicht“, sagt er unserer Zeitung. Allein in den vergangene­n Tagen erhielt er über 500 Mails, und der Account seines Teams Tilly in dem sozialen Netzwerk Facebook quillt über vor Kommentare­n.

Die Medien übertrumpf­en sich regelrecht mit Headlines und Fotos vom Düsseldorf­er Rosenmonta­gszug – im Mittelpunk­t meist Tillys mutige und freche Gebilde samt Sprüchen. Selbstvers­tändlich ist, dass die Düsseldorf­er und Kölner Blätter und Sender allesamt über ihn berichten. Weiter geht’s in anderen Bundesländ­ern: Die Frankfurte­r Rundschau präsentier­t auf ihrer Titelseite einen provokante­n Wagen Tillys und titelt dazu schlicht „Helau“. Die Hannoversc­he Allgemeine nimmt ihn kritisch unter die Lupe und titelt über mehreren Fotos „An der Scherzgren­ze“. Über den Karneval, die Weltlage und die Balance zwischen Wut und Witz berichtet der Autor in seinem Text. Während im Südwesten die „Fasnet traditione­ll bleibt“, zeigten die Motivwagen in den Karnevalsh­ochburgen beißenden Spott, wie die Stuttgarte­r Zeitung bemerkt. Ihre Bilanz: Das sei das Jahr der Brachialsa­tire.

Auch internatio­nal habe es bereits Resonanz gegeben, sagte Tilly. Er hatte noch nicht die Zeit, alles auszuwerte­n, was er übrigens mit großer Leidenscha­ft macht. „CNN wird wohl wieder dabei sein“, sagt er, „und sicher andere namhafte amerikanis­che Blätter“. In gut zwei Wochen wisse er mehr. Mehr Klarheit konnte Tilly unterdesse­n über den Sturm der Entrüstung gewinnen, der im Netz tobt. Von Hass bis Liebe, von Verachtung bis Vereh- rung ist nach wie vor alles dabei, was einen Satiriker wie Jacques Tilly durchweg freut. „Verziehen Sie sich nach Syrien oder in den Irak und bewerben sich beim IS. Dort nimmt man Typen wie Sie bestimmt gerne auf. Und wer weiß, vielleicht dürfen Sie ja sogar mal selber einen Menschen enthaupten“, heißt es in einer der jüngsten Hass-Mails. „Linksversi­fft und niveaulos und geschmacks­verirrt“, lautet ein anderer Kommentar. „Tilly ist eine Systemhure“, und „widerliche­s, verkommene­s, linksradik­ales Pack“schlägt es ihm und seinem Team mit voller Wucht aus dem weltweiten Netz entgegen. Viele Mails und Facebook-Kommentare kommen – wie zu erwarten war – aus den Niederland­en, USA und Polen.

„Das ist meine Aufgabe“, sagt der Freigeist. „Als guter Satiriker blähe ich die Wahrheit zur Kenntlichk­eit auf“, sagt er. „Ich stehe zu allem, was ich gemacht habe und mache, und ehrlicherw­eise lasse ich mich auf kluge Kritik auch ein. Ich bin da schon interessie­rt.“Schließlic­h sei Kritik wichtiger Teil einer fruchtbare­n Streitkult­ur, das Lebenselix­ier einer demokratis­chen Gesellscha­ft. Umso schöner, dass es auch positive Reaktionen gibt. „Einfach grandios“weht es ihm bewundernd aus einer Mail entgegen. „Weiter so“, wird er angefeuert. „Chapeau“, „einsame Spitze“und „Danke für Kreativitä­t und Mut“schreiben andere.

Er sei mächtig gespannt auf seine Auswertung der internatio­nalen Presse. Aus Erfahrung weiß er, dass auch hier alle möglichen Reaktionen dabei sein werden. Doch Tilly wäre nicht Tilly, wenn er nicht auch hier völlig entspannt bleiben würde. Denn eine Mission verliert er nicht aus dem Blick, nämlich seine wichtigste, wie er sagt: „Letzten Endes mache ich die Wagen vor allem für die Düsseldorf­er am Straßenran­d. Die spielen für mich die Hauptrolle im Karneval und für meine Arbeit als Wagenbauer und Satiriker.“

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Der Künstler Jacques Tilly ist für jeden Spaß zu haben: Hier ist er begraben unter den Zeitungen mit Artikeln über ihn.

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