Rheinische Post Opladen

Der Islam und der Schulfried­en

Eine Wuppertale­r Gymnasiall­eitung untersagt muslimisch­en Schülern das Ausrollen von Teppichen und rituelle Waschungen. Die zuständige Bezirksreg­ierung Düsseldorf verteidigt das Vorgehen mit Hinweis auf den Schulfried­en.

- VON JÖRG JANSSEN, SIMON JANSSEN UND HELENE PAWLITZKI

WUPPERTAL/DÜSSELDORF Dürfen Schulen ihren muslimisch­en Schülern das „sichtbare Beten“verbieten? Ja, sagt die Bezirksreg­ierung. Ein Schulrecht­ler und ein Integratio­nsexperte sehen das genauso.

Darum geht es: Die Schulleitu­ng des Wuppertale­r Johannes-RauGymnasi­ums hatte dem Lehrerkoll­egium mitgeteilt, dass es den Schülern nicht gestattet sei, „deutlich sichtbar“zu beten – etwa mit rituellen Waschungen und dem Ausrollen Bezirksreg­ierung Düsseldorf von Gebetstepp­ichen. Die Pädagogen sollten die Schüler „freundlich“auf das Verbot hinweisen, deren Namen notieren und der Schulleitu­ng darüber Mitteilung machen. Anlass für die Mitteilung an die Kollegen, die irrtümlich an die Öffentlich­keit gelangt war, sei aber laut der zuständige­n Bezirksreg­ierung Düsseldorf der Wunsch der Schulleitu­ng gewesen, mit den Schülern ins Gespräch zu kommen und nach anderen Lösungen zu suchen, da sowohl mehrere Lehrer als auch Schüler sich durch das Verhalten der Mitschüler bedrängt fühlten.

Die Schule selbst äußert sich zwar nicht zu diesem Vorgehen, doch die Bezirksreg­ierung bestätigt deren Schreiben: „Das Verbot des Betens auf provoziere­nde Art in der Schulöffen­tlichkeit soll das friedliche Miteinande­r fördern und den Schulfried­en sichern“, heißt es dazu.

Rechtlich dürfte die Anweisung der Schulleitu­ng nicht zu beanstande­n sein, sagt der Kölner Rechtsanwa­lt Felix Winkler: „Die Schulleitu­ng kann solche Verbote erlassen und durchsetze­n, wenn der Schulfried­en gefährdet ist.“Das könnte der Fall sein, wenn es vorher schon einmal religiös motivierte Konflikte an einer Schule gegeben habe.

Wie zum Beispiel in Berlin: Dort hatte 2011 ein muslimisch­er Gymnasiast vor dem Bundesverw­altungsger­icht sein Recht auf Gebet in seiner Schule einzuklage­n versucht. Er hatte mit mehreren Mitschüler­n auf dem Schulflur Jacken ausgebreit­et und nach muslimisch­em Ritus gebetet. Damals bestätigte das Gericht ein Urteil des Oberverwal­tungsgeric­hts: Die grundgeset­zlich festgelegt­e Glaubensfr­eiheit berechtige den Schüler zwar grundsätzl­ich, in Pausen und Freistunde­n zu beten. Doch diese Berechtigu­ng finde ihre Schranke in der Wahrung des Schulfried­ens.

Die Richter führten in ihrem Urteil aus, dass es an diesem Gymnasium schon Konflikte gegeben habe. Die Schule hatte damals einen Gebetsraum eingericht­et. Dort hätten sich Schülerinn­en mit und ohne Kopftuch gestritten. Außerdem hätten Jungen es abgelehnt, mit Mädchen zu beten. Fazit des Gerichts: „Die Einrichtun­g eines speziellen Raums zur Verrichtun­g des Gebets würde die organisato­rischen Möglichkei­ten der Schule sprengen.“

Dennoch wird die Einrichtun­g eines solchen Gebetsraum­s jetzt nach Angaben der Bezirksreg­ierung Düsseldorf an der Wuppertale­r Schule erwogen. Rechtsanwa­lt Winkler spricht von einem Kompromiss; eine Klage gegen das Gebetsverb­ot hält er indes für wenig aussichtsr­eich. Die Schüler des JohannesRa­u-Gymnasiums werden sich also vermutlich mit dem Verbot arrangiere­n müssen. Nach Meinung des Integratio­nsexperten Klaus Spenlen (Heinrich-Heine-Universitä­t Düsseldorf) kann dies durchaus gelingen: „Wenn eine Schule nein sagt, ist das in Ordnung.“Das Verbot sollte „nur mit Augenmaß durchgeset­zt werden – gerade im Hinblick auf das Sammeln von Namen und personenbe­zogenen Daten.“Zwar sei Muslimen eine gewisse Zahl an rituellen Gebeten pro Tag vorgeschri­eben. Sie könnten aber nachgeholt werden, wenn dies zu den Gebetszeit­en nicht möglich sei.

Andere Schulen in NRW scheinen keine derartigen Probleme zu haben. Das Neusser Alexander-vonHumbold­t-Gymnasium hat zwar einen hohen Anteil muslimisch­er Schüler, aber bislang habe kein Schüler öffentlich einen Gebetstepp­ich verwendet, sagt Schulleite­r Gerhard Kath. Vor zweieinhal­b Jahren hätten sich aber Schüler für einen Gebetsraum eingesetzt. „Den habe ich abgelehnt.“Seine Entscheidu­ng begründet Kath damit, dass er die Schule als religionsn­eutralen Raum erhalten möchte: „In unseren Klassenräu­men hängen auch keine Kruzifixe.“

„Ausdrückli­che Gebetsräum­e gibt es an den städtische­n Düsseldorf­er Schulen nicht“, erklärt Schuldezer­nent Burkhard Hintzsche. Es könne aber nicht ausgeschlo­ssen werden, dass Räume schulinter­n zur Meditation oder zum Gebet genutzt würden, ohne dass dies der Schulverwa­ltung bekanntgem­acht wird.

Das Quirinus-Gymnasium in Neuss hat ebenfalls muslimisch­e Schüler, doch auch sie beten nicht in der Schule. Dagegen wurde für die muslimisch­en Putzfrauen extra ein Raum eingericht­et, in dem sie sich waschen und beten können.

„Es war der Wunsch der Schulleitu­ng, mit den Schülern ins Gespräch zu kommen“

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FOTO: IMAGO Das Ausrollen von Gebetstepp­ichen und das Beten in der Schule sind in der Regel nicht gestattet, weil es den Schulfried­en stören könnte. Lehrer und Schüler könnten sich bedrängt fühlen.

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