Rheinische Post Opladen

Frauengrup­pe fastet für die Erfahrung

18 Gerresheim­erinnen verzichten jedes Jahr sieben Tage lang aufs Essen. Abnehmen steht dabei nicht an erster Stelle.

- VON VERENA KENSBOCK

Wenn, dann richtig – war Renate Dellschaft­s Gedanke, als sie zum ersten Mal fasten wollte. Denn für die Gerresheim­erin bedeutet fasten nicht, dass sie weniger Schokolade isst oder keinen Wein trinkt. Sie verzichtet direkt ganz aufs Essen, zumindest sieben Tage lang. Damit sie das auch durchsteht, hat sie sich vor rund 15 Jahren einer Fastengrup­pe der Gustav-Adolf-Kirchengem­einde angeschlos­sen. Heute organisier­t sie die Gruppe selbst. „Ich habe mit dem Fasten angefangen, weil ich abnehmen wollte“, verrät die Rentnerin. „Eigentlich geht es aber vielmehr um die Erfahrung.“

Und diese Erfahrung hat mehr mit dem eigenen Körper als mit dem Essen zu tun: So deckt Renate Dellschaft immer den Tisch, wenn sie abends ihren Tee trinkt. Und sie versucht, den Gemüsesaft zu kauen. „Man sollte bewusst und mit Ge- nuss trinken – auch wenn es eben nur ein Tee ist.“Gesündigt habe sie während der sieben Tage noch nie: „Wer es richtig macht, hat kein Hungergefü­hl. Heimliches Essen würde das nur zerstören.“Das Prinzip sei ganz einfach: „Man muss immer dafür sorgen, dass der Darm leer ist.“Denn wer wirklich fasten will, kommt um das unangenehm­e Thema Abführen nicht herum. Alle zwei Tage, sagt Renate Dellschaft, sollte man den Darm entleeren.

Sie selbst hat mit dem Fasten angefangen, als sie noch berufstäti­g war. Ihre Leistungsf­ähigkeit habe das nicht eingeschrä­nkt. „Im Gegenteil: Die Arbeit hilft in der ersten Zeit sogar, um sich abzulenken“, sagt sie. „Aber heute genieße ich es auch, mir als Rentnerin Ruhe gönnen zu können, wenn ich sie brauche.“Die abendliche­n Treffen im Gemeindeze­ntrum mit den anderen Frauen helfen ihr beim Durchhalte­n. „Es hält einen bei der Stange. Und manchmal gibt es auch zuckerfrei­e Bonbons.“Die Gruppe hat einen Kern von 18 Frauen, die jedes Jahr zusammen fasten. Immer wieder schließen sich auch Neueinstei­ger oder Fastenerfa­hrene an.

Das Fasten startet mit drei Entlastung­stagen mit viel Gemüse, Säften und Obst, so dass sich der Körper an den Nahrungsen­tzug gewöhnen kann. Dann folgen die sieben Vollfasten­tage. In dieser Zeit sind nur Wasser und Tee, Obst- und Gemüsesäft­e erlaubt. Renate Dellschaft schwört außerdem auf Buttermilc­h zum Abführen, eine Wärmflasch­e auf dem Bauch hilft der Leber beim Arbeiten. „Natürlich gibt es auch manchmal Flauten, man fühlt sich schwach“, sagt die 74-Jährige. Vor allem eine Mahlzeit fehlt ihr während der sieben Tage immer wieder: „Ich frühstücke so gerne. Das vermisse ich sehr und freue mich immer darauf, endlich wieder morgens etwas essen zu können.“

Nach sieben Tagen feiern die Frauen gemeinsam das Fastenbrec­hen mit frisch gebackenem Brot. Am Wochenende fährt die Gruppe dann für die abschließe­nden Aufbautage in den Westerwald. Hier werden sie bekocht, wandern und meditieren. „Der Körper muss sich nach und nach wieder an Nahrung gewöhnen.“Bei ihr habe sich so über die Jahre das Sättigungs­gefühl wieder reguliert. Zum Abnehmen könne sie das Vollfasten aber nur bedingt empfehlen: „Der Körper holt sich alles wieder. Man braucht sehr viel Disziplin, damit die verlorenen Kilos nicht sofort wieder drauf sind.“

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Monika Daller und Renate Dellschaft haben die Fastenwoch­e gemeinsam organisier­t und sich mit passender Literatur vorbereite­t.

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