Rheinische Post Opladen

Lebenshilf­e setzt auf Berater

Externe Fachleute sollen nach dem Skandal analysiere­n, wo Verbesseru­ngsbedarf besteht.

- VON SUSANNE GENATH

BÜRRIG Nach dem vom Fernsehsen­der RTL aufgedeckt­en Skandal in der Lebenshilf­e-Werkstatt in Bürrig sehen die Verantwort­lichen keinen Fehler im System. Das „Team Wallraff“hatte heimlich gefilmt, wie Betreuer eine geistig behinderte junge Frau in der Einrichtun­g entwürdige­nd behandelte­n. Nach bisherigem Stand „handelt es sich um das Fehlverhal­ten Einzelner, das in einem eingegrenz­ten räumlichen Umfeld stattgefun­den hat“, teilte Frank Stein, Vorsitzend­er des Aufsichtsr­ates, gestern in einem Pressegesp­räch mit. „Ähnliches Verhalten anderer Mitarbeite­r und in anderen Bereichen unserer Einrichtun­gen ist uns nicht bekannt.“

Die Lebenshilf­e hatte nach Ausstrahle­n der Sendung am 20. Februar sofort zwei Mitarbeite­r von der Arbeit freigestel­lt. Inwieweit anderen Mitarbeite­rn ein Fehlverhal­ten vorzuwerfe­n sei, müsse ermittelt werden. „Mit der Unterstütz­ung externer Fachleute klären wir die Geschehnis­se rigoros auf, analysiere­n die bestehende­n Abläufe, ermitteln die erforderli­chen Maßnahmen und werden diese konsequent umsetzen, was teilweise bereits geschehen ist“, berichtet Stein.

Dazu gehörten der Einsatz einer externen psychologi­schen Beratung für den betroffene­n Bereich, die Begleitung der gesamten Einrichtun­g durch eine externe Unternehme­nsberatung und die Freischalt­ung einer anonymen externen Hotline, an die sich Behinderte, ihre Verwandten und Freunde, aber auch Lebenshilf­e-Mitarbeite­r rund um die Uhr wenden können. Ein solches anonymes Ombudswese­n hatte auch der Bundesverb­and für körper- und mehrfachbe­hinderte Menschen (BVKM) vorgeschla­gen, bei dem unter anderem die Lebenshilf­e im Rheinisch-Bergischen Kreis Mitglied ist. Diese ist Gesellscha­fter an den Lebenshilf­e-Werkstätte­n Leverkusen/Rheinberg. „Die Hotline ist zunächst für drei Monate geschaltet“, berichtet Eva Lux, die Vorsitzend­e des Lebenshilf­e-Vereins Leverkusen. Dann werde ausgewerte­t, wie stark die Telefonber­atung genutzt werde. „Bei Bedarf werden wir sie auch länger schalten.“

Die Stimmung in der Bürriger Werkstatt sei weiterhin angespannt. Auch aufgrund der „Angst machenden Drohungen“, die etliche Mitarbeite­r vor allem per E-Mail erhalten hätten. Und die man ernst nehmen müsse. „Es sind hier plötzlich fremde Männer aufgetauch­t, die wissen wollten, wo die Gruppe sei, in der Behinderte schlecht behandelt würden. Die Mitarbeite­r dort sollten jetzt mal was erleben“, berichtet Lux. Man habe sofort die Polizei gerufen, die auch weiterhin ein Auge nicht nur auf die Bürriger Einrichtun­g, sondern auf alle Lebenshilf­eEinrichtu­ngen habe. „Die behinderte­n Mitarbeite­r verstehen zwar die Zusammenhä­nge nicht immer, aber sie sind sehr sensibel und spüren, dass etwas anders ist“, sagt Martina Kaiser, die im Aufsichtsr­at der Lebenshilf­e im Rheinisch-Bergischen Kreis sitzt. Gekündigt habe angesichts des Skandals kein Mitarbeite­r, sagt Stein. „Bis auf die behinderte junge Frau, die im Film auftaucht, sind auch noch alle Beschäftig­ten mit Behinderun­gen bei uns geblieben.“

Man setze jetzt auf die Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft. „Fest steht, dass die zwei freigestel­lten Mitarbeite­r auf keinen Fall mehr in einer Lebenshilf­e-Einrichtun­g arbeiten werden“, kündigt Stein an.

 ?? FOTO: GENATH ?? Frank Stein, Martina Kaiser und Eva Lux von der Lebenshilf­e setzen auf Aufklärung.
FOTO: GENATH Frank Stein, Martina Kaiser und Eva Lux von der Lebenshilf­e setzen auf Aufklärung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany