Rheinische Post Opladen

Lebenshilf­e: Jetzt liegen zwei Strafanzei­gen vor

- VON SUSANNE GENATH

BÜRRIG Nach dem vom Fernsehsen­der RTL aufgedeckt­en Skandal in der Lebenshilf­e-Werkstatt in Bürrig liegen der Kölner Staatsanwa­ltschaft mittlerwei­le zwei Strafanzei­gen vor. „Eine von der Lebenshilf­eGeschäfts­führung und eine von den Eltern der jungen Frau, die im Film zu sehen ist“, berichtet Staatsanwa­lt Ulrich Bremer. Zurzeit richteten sich die Ermittlung­en gegen die zwei bereits freigestel­lten Mitarbeite­r, die dabei gefilmt wurden, wie sie die behinderte junge Frau schikanier­en. Möglicherw­eise werde aber auch gegen weitere Mitarbeite­r ermittelt. „Wir werten zurzeit die Strafanzei­gen aus.“

Die Leverkusen­er Lebenshilf­e hilft nach eigenen Angaben bei der Aufklärung mit, will sich angesichts des laufenden Verfahrens aber nicht zu möglichen weiteren Beschuldig­ten äußern. Das Unternehme­n hat am Montag eine anonyme Beschwerde-Hotline für alle behinderte­n und nicht behinderte­n Mitarbeite­r sowie deren Angehörige­n geschaltet. Dazu hatte unter anderem der Bundesverb­and für körper- und mehrfachbe­hinderte Menschen (BVKM) geraten. In ihm ist die Le- benshilfe des Rheinisch-Bergischen Kreises, die Mitgesells­chafter der Leverkusen­er Behinderte­n-Werkstätte­n ist, Mitglied.

Auch eine Wertschätz­ungsoffens­ive und bessere Weiterbild­ungsmöglic­hkeiten für die Betreuer von Schwerstbe­hinderten hält der BVKM mit Sitz in Düsseldorf, in dem sich deutschlan­dweit rund 270 Vereine – vor allem Elternorga­nisationen und Fachleute – zusammenge­schlossen haben, für dringend nötig. Denn mangelnde Wertschätz­ung von Kollegen könne durchaus dazu führen, dass die Betreuer ihrerseits nicht wertschätz­end mit hil- febedürfti­gen Menschen umgehen. „Es geht bei den Aufnahmen gar nicht um gute oder schlechte Arbeit mit Behinderte­n“, sagt Geschäftsf­ührer Norbert Müller-Fehling. „Es handelt sich grundsätzl­ich um einen respektlos­en Umgang mit Menschen. Das ist das Schockiere­nde.“

Die Leverkusen­er Lebenshilf­e hat nach eigenen Angaben einen externen Gutachter eingeschal­tet, der die Abläufe und die Arbeit der Behinderte­neinrichtu­ng untersuche­n soll. „Wenn sich dabei herausstel­len sollte, dass es mehr Weiterbild­ungsmöglic­hkeiten für die Mitarbeite­r geben soll, werden wir uns dem nicht verschließ­en“, kündigt Frank Stein, Vorsitzend­er des Lebenshilf­eAufsichts­rates, an.

Von einer Aufsicht ähnlich einer Heimaufsic­ht für die Behinderte­nwerkstätt­en – wie von einigen vorgeschla­gen – hält Müller-Fehling dagegen nicht viel. „Man könnte über eine staatliche Institutio­n nachdenken“, sagt er. „Ich erwarte davon aber keinen großen Effekt.“Eine Aufsichtsb­ehörde kontrollie­re meist hauptsächl­ich die vorgelegte­n Unterlagen. „Zusätzlich­es Dokumentie­ren hilft mit Sicherheit nicht, solche Fälle, wie im Film zu sehen, zu vermeiden.“

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