Rheinische Post Opladen

Axt-Täter als psychisch krank bekannt

Neun Menschen sind beim Amoklauf am Düsseldorf­er Hauptbahnh­of zum Teil lebensgefä­hrlich verletzt worden. Der Täter stammt aus dem Kosovo. Eine paranoide Schizophre­nie hat ihn bisher vor der Abschiebun­g bewahrt.

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DÜSSELDORF (brö, rky, ujr) Einen Tag nach der brutalen Axt-Attacke in einer S-Bahn am Düsseldorf­er Hauptbahnh­of haben sich die Ermittler gestern ein genaueres Bild über den Täter und den Hergang seines Amoklaufs verschaffe­n können. Demnach hat ein 36 Jahre alter Mann aus dem Kosovo, der in Wuppertal gemeldet ist, das Attentat begangen, das nach bisherigen Erkenntnis­sen keinen terroristi­schen Hintergrun­d hat. Vielmehr wurde in der Wohnung des Kosovaren ein Attest gefunden, das ihm eine „paranoide Schizophre­nie“bescheinig­t. Laut albanische­n Zeitungen handelt es sich um Fatmir H.. Dieser habe sich vor einer Woche eine Axt gekauft, weil er sich verfolgt fühle, berichtete sein ebenfalls in Wuppertal lebender Bruder.

Unter den Verletzten befinden sich vier Frauen und fünf Männer. Vier von ihnen erlitten durch die Axtschläge schwerste Kopfwunden. Die Opfer sind zwischen 13 und 50 Jahre alt, sie stammen aus Düsseldorf, Dortmund, Köln, Solingen und Wülfrath. Zwei Frauen sind italienisc­he Touristinn­en. Der Täter selbst brach sich beide Beine, als er von ei- ner Brücke auf die Straße sprang. Er sowie vier der Opfer wurden in der Düsseldorf­er Uni-Klinik operiert. Staatsanwa­lt Martin Stücker spricht von neunfachem versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlich­er Körperverl­etzung. Anstatt in Untersuchu­ngshaft kommt Fatmir H. zunächst allerdings in eine psychiatri­sche Klinik.

Vier Minuten lang wütet der 36Jährige, der in der S 28 in Richtung Mettmann saß. Als der Zug um 20.52 Uhr an Gleis 13 in Düsseldorf hält, attackiert der Mann aussteigen­de Fahrgäste von hinten mit der Axt. Dann wird der Kosovare von Passagiere­n aus dem Zug gestoßen, der Lok-Führer blockiert geistesgeg­enwärtig die Türen. Auf dem Bahnsteig und auf dem Weg in die Haupthalle verletzt der Täter weitere Menschen. 20.54 Uhr: Reisende alarmieren Bundespoli­zisten, die in der Halle auf Streife sind. Fatmir H. flüchtet, lässt die Axt fallen, klettert auf ein Brückengel­änder und springt. Es ist 20.56 Uhr.

Polizei und Bundespoli­zei hatten in kürzester Zeit fast 600 Beamte zusammenge­zogen, darunter mehrere Spezialein­satzkomman­dos. Bei sei- ner Festnahme sagte der 36-Jährige, er habe es darauf angelegt, dass ihn die Polizei mit der Schusswaff­e stoppe, berichtete der Düsseldorf­er Kriminaldi­rektor Dietmar Kneib. Im Fachjargon werde dies „suicide by cop“genannt – provoziert­er Selbstmord durch einen Polizisten. Fatmir H. war 2009 nach Deutschlan­d ge- kommen, wo er aus humanitäre­n Gründen eine befristete Aufenthalt­serlaubnis als Asylbewerb­er erhielt. Er soll abgeschobe­n werden. Aktuell schützt ihn davor aber ein Bescheid von 2014, der nach Informatio­nen unserer Redaktion bis 2018 gilt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf) hatte verfügt, Fatmir H dürfe nicht abgeschobe­n werden, weil ihm dann eine Verschlech­terung seines psychische­n Zustands drohe. Das Aufenthalt­sgesetz verbietet es, jemanden abzuschieb­en, wenn eine schwerwieg­ende Erkrankung sich dadurch wesentlich verschlech­tern würde. Eine Rolle spielte auch, dass Fatmir H.’s Bruder ebenfalls in Deutschlan­d lebt und die Situation stabilisie­rt. Bereits 2015 hatte Fatmir H. mit der Polizei zu tun, als er sich selbst verletzte und den Beamten seine Erkrankung anzeigte.

NRW-Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft (SPD) telefonier­te gestern mit Familienan­gehörigen der Opfer und bot den Betroffene­n Hilfe an. Auch Landesinne­nminister Ralf Jäger (SPD) wünschte den Verletzten eine schnelle Genesung. Zugleich dankte er den Rettungskr­äften und der Polizei. Der für Infrastruk­tur und Sicherheit zuständige Vorstand der Deutschen Bahn, Ronald Pofalla, lobte die Zusammenar­beit der Bahn mit den Sicherheit­sbehörden: „Sie haben schnell, beherzt und sehr profession­ell gehandelt. Die eingeübte Zusammenar­beit hat sich voll bewährt“, sagte Pofalla unserer Redaktion. Der Düsseldorf­er Hauptbahnh­of habe ein beispielha­ftes Schutznive­au. In den kommenden Jahren werde die Bahn verstärkt in Sicherheit­smaßnahmen an Bahnhöfen und in den Zügen investiere­n. Zudem hatte der Bundestag in der Nacht zu gestern den Weg für mehr Videoüberw­achung in Einkaufspa­ssagen, Sportstätt­en, auf Parkplätze­n sowie in öffentlich­en Bussen und Bahnen freigemach­t.

Keine 24 Stunden nach der Axt-Attacke löste gestern in Düsseldorf ein weiterer brutaler Angriff einen Großeinsat­z der Polizei aus. Ein 80 Jahre alter Mann war mit einem noch nicht näher identifizi­erten Gegenstand schwer verletzt worden, schwebt aber nicht in Lebensgefa­hr. Der Täter blieb trotz intensiver Fahndung flüchtig. Leitartike­l Sonderseit­en

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