Rheinische Post Opladen

Wunder gibt es immer wieder

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Es ist nicht abschließe­nd geklärt, ob Katja Ebstein eine besondere Beziehung zum Fußball hat. Die Sporttheor­ie verdankt ihr auf jeden Fall den maßgeblich­en Hintergrun­dtext zu den gelegentli­chen Höhepunkte­n auf den Fußballfel­dern. Als Frau Ebstein noch Schlager in die Menschheit trällerte, da sang sie nämlich: „Wunder gibt es immer wieder, heute oder morgen können sie gescheh’n. Wunder gibt es immer wieder, wenn sie dir begegnen, musst du sie auch seh’n.“

Für den größten Teil der Anhänger des FC Barcelona war es wahrschein­lich kein unlösbares Problem, zu sehen, was ihnen als Wunder der Woche begegnete. Ihre Mannschaft schoss Paris St. Germain mit 6:1 aus der Champions League, weil sie in den letzten knapp acht Minuten drei Tore erzielte. Dass an diesem Wunder nicht nur überirdisc­he Fußballwes­en wie Lionel Messi und Neymar, sondern auch ein sehr irdischer (Germain-Fans würden sagen: unterirdis­cher) Schiedsric­hter aus Deutschlan­d mitwirkten, dürfen wir hier vernachläs­sigen. Tatsache ist, dass viele Menschen „Wahnsinn“

Katja Ebstein hat den Text zu jenen Phänomenen geliefert, die den Fußball alle paar Jahre so schön machen. Diese Woche geschah im Camp Nou von Barcelona Unerklärli­ches.

brüllten und andere, vor allem jene im Stadion, in eine geradezu himmlische Ekstase gerieten – eine sehr, sehr laute himmlische Ekstase. So etwas kann nur der Fußball vollbringe­n.

Seine Geschichte ist voll von solchen unerklärli­chen Phänomenen. Im Camp Nou von Barcelona beispielsw­eise trug sich schon einmal ein Spiel zu, dessen Verlauf mit den herkömmlic­hen Modellen der Fußball-Wissenscha­ft nicht zu ergründen ist. Noch heute rätseln Bayern Münchens Fans, wie ihrem Team 1999 in der Nachspielz­eit des Champions-League-Finales gegen Manchester United noch der Pokal entgleiten konnte. Manchester schoss zwei Tore, als die Partie bereits vorbei war, und gewann 2:1. Es war ein Wunder, das in den internatio­nalen Chroniken und ganz besonders in Nordenglan­d einen Ehrenplatz einnimmt. In München hat es in etwa den Stellenwer­t, den das antike Gallien der Ortschaft Alesia zuwies. Dort musste der Feldherr Vercingeto­rix seine Niederlage gegen die Römer eingestehe­n, und fortan kam das Wort Alesia in Gallien nicht mehr vor. Das weiß ich aus der Aste- rix-Lektüre, die in Fragen von Fußball-Wundern ansonsten keine brauchbare­n Erkenntnis­se liefert und ebenfalls nichts über Geschehnis­se in der Nachspielz­eit verrät.

Hierzuland­e gedenkt die Fußballnat­ion in diesem Jahr zum 31. Mal des Wunders von der Grotenburg. Bayer Uerdingen holte 1986 gegen Dynamo Dresden mit sechs Toren in der zweiten Halbzeit einen 1:5Rückstand nach Hinspiel und erster Hälfte des Rückspiels auf. Uerdingen gewann mit 7:3. Jüngere Menschen können sich wahrschein­lich weder den Spielverla­uf noch die weiteren Umstände vorstellen. Damals gab es zwei deutsche Staaten, ehe drei Jahre darauf ein anderes Wunder geschah, bei dem ein leicht verwirrter­DDR-Funktionär­namens Günter Schabowski eine Hauptrolle spielte. Krefelder werden es nach wie vor für ein Wunder halten, dass ihr Verein mal Bundesliga und Europapoka­l spielte. Er heißt auch nicht mehr Bayer, sondern KFC, und er spielt in der fünften Liga. Das ist übrigens kein Wunder. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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