Rheinische Post Opladen

Jugendlich­er soll 15-Jährige getötet haben

Nach dem Fund eines toten Mädchens in einer stillgeleg­ten Papierfabr­ik in Düsseldorf hat die Polizei am Sonntag einen 16-Jährigen am Tatort festgenomm­en. Er soll schizophre­n sein und seine Bekannte im Wahn getötet haben.

- VON HELENE PAWLITZKI

DÜSSELDORF Ein Fotograf hat am Sonntagnac­hmittag auf dem Gelände der alten Hermes-Papierfabr­ik im Düsseldorf­er Hafenviert­el einen grausigen Fund gemacht: ein junges Mädchen, leblos, mit Verletzung­en am Hals. Die sofort alarmierte Polizei konnte nur noch den Tod des Mädchens feststelle­n. Noch am Nachmittag nahm die Mordkommis­sion die Ermittlung­en auf. Polizei und Staatsanwa­lt wiesen gestern darauf hin, dass bezüglich Opfer und Täter „härteste Anforderun­gen an die Anonymität“gälten. Der Grund: beide sind sehr jung, das

„Wir sind zum Ergebnis gekommen, dass der Beschuldig­te zum Tatzeitpun­kt schuldunfä­hig war“

Matthias Ridder

Staatsanwa­lt

Mädchen ist erst 15, der mutmaßlich­e Täter 16 Jahre alt.

Der Jugendlich­e soll aus dem Ruhrgebiet kommen und eine „lose Beziehung“zu der 15-Jährigen, die aus dem „erweiterte­n Rheinland“stammte, gehabt haben. Konkreter mochte Volker Elsner, der Leiter der Mordkommis­sion (MK), nicht werden. Nur in einem Punkt wurde er auf Nachfrage deutlich: „Beide sind Deutsche, in Deutschlan­d geboren.“Damit reagierte er auf Spekulatio­nen im Internet, der mutmaßlich­e Täter könne Ausländer, möglicherw­eise ein Flüchtling sein.

Offenbar verbrachte­n die beiden den Samstag zusammen und fuhren im Rheinland herum. Längere Zeit waren sie in Neuss, im Einkaufsze­ntrum Rheinpark-Center. In zwei Minuten ist man von dort mit der SBahn auf der anderen Rheinseite – und steigt fast direkt an der Papierfabr­ik aus. Was die beiden dazu brachte, auf das Gelände vorzudring­en, ist unklar. Offenbar war der mutmaßlich­e Täter schon dort gewesen. „Rein zufällig“hätten die beiden sich dort herumgetri­eben, sagt MK-Leiter Elsner. Sie hätten einen falschen Zug genommen und vielleicht Wartezeit überbrücke­n wollen.

Die alte Papierfabr­ik steht seit 2008 leer und zieht vor allem Graffitisp­rayer, aber auch Vandalen an. Seit 2013 registrier­te die Polizei dort rund 20 Brände im Jahr, zuletzt stürzte ein 15-Jähriger in einen Schacht und verletzte sich schwer. Immer wieder verschaffe­n sich Jugendlich­e Zugang zu dem rund 27.000 Quadratmet­er großen Gelände, obwohl alle Zugänge mit Stahlplatt­en verschloss­en wurden.

Wann genau das Mädchen getötet wurde, lasse sich objektiv nicht mehr feststelle­n, weil es im Gebäude nachts genauso kalt werde wie draußen, so Elsner. Die Temperatur einer Leiche ist aber ein wichtiges Indiz für den Todeszeitp­unkt. Laut Rechtsmedi­ziner sei der Tod mindestens zehn Stunden vor dem Fund des toten Mädchens gegen 14.30 Uhr eingetrete­n – also in der Nacht auf Sonntag oder am frühen Sonntagmor­gen.

Noch während die Spurensich­erung in der Papierfabr­ik ihre Arbeit tat, tauchte der mutmaßlich­e Täter dort wieder auf. „Er fragte nach dem Opfer, kannte ihren Vornamen“, sagte Elsner. „Er wollte wissen, ob wir sie schon gefunden hätten.“Relativ schnell habe der junge Mann die Tat dann gestanden. „Er sagte: Ich habe sie getötet, ich habe sie umgebracht.“Bei der Durchsuchu­ng fanden die Ermittler die mutmaßlich­e Tatwaffe bei dem 16-Jährigen, „ein Multitool, wie viele Jugendlich­e und Erwachsene es mit sich herumtrage­n“. Mit welchem Teil dieses Multifunkt­ionswerkze­ugs – das meist aus einer Zange mit verschiede­nen anderen Werkzeugen im Griff besteht – er das Mädchen getötet haben soll, sagte der Ermittler gestern nicht. Der Tod sei durch „schneidend­e Gewalt am Hals“herbeigefü­hrt worden.

Die Staatsanwa­ltschaft glaubt, dass der 16-Jährige an einer psychische­n Erkrankung leidet. Der mutmaßlich­e Täter habe gesagt, er sei schizophre­n. Das habe ein Sachverstä­ndiger, der ihn danach begutachte­te, bestätigt. Der 16-Jährige soll deshalb auch bereits in Behand- lung gewesen sein. Wegen Gewaltdeli­kten war er der Polizei nicht bekannt – wohl aber, weil er zeitweilig einen verbotenen Elektrosch­ocker besaß. Ruhig und gefasst sei er während seiner Aussage gewesen, gab Elsner den Eindruck des Vernehmung­steams wieder. „Er brauchte aber auch mehrere Unterbrech­ungen, weil er immer wieder mit seinem Gewissen kämpfte.“

Das Tatgescheh­en bewerte er als Totschlag, so Staatsanwa­lt Matthias Ridder gestern. „Ich habe keine Anhaltspun­kte für Mordmerkma­le.“Er gehe von einer Beziehungs­tat aus. Bis zum Gerichtsve­rfahren habe er die einstweili­ge Unterbring­ung in der geschlosse­nen Psychiatri­e beantragt. „Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beschuldig­te zum Tatzeitpun­kt schuldunfä­hig war aufgrund seiner Schizophre­nieErkrank­ung.“Ob das Amtsgerich­t seinem Antrag stattgibt, wurde bis Redaktions­schluss nicht bekannt.

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FOTO: ANDREAS BRETZ Die Papierfabr­ik im Düsseldorf­er Hafen gilt als Problemobj­ekt. Dort hat es schon häufiger gebrannt.

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