Rheinische Post Opladen

Kurier der Kanzlerin

Horst Seehofer wird im Kreml von Wladimir Putin als „lieber Freund“aus Bayern empfangen, seine politische Mission in Russland ist aber heikler, als es der Auftritt vermuten lässt. Am 2. Mai reist auch Angela Merkel nach Moskau.

- VON MARCO HADEM UND THOMAS KÖRBEL

MOSKAU (dpa) Noch bevor CSUChef Horst Seehofer in Moskau gelandet ist, drücken neue schlechte Nachrichte­n die Stimmung: Im Kriegsgebi­et Ost-Ukraine spitzt sich die Lage zu. Während die prorussisc­hen Separatist­en ihre Abspaltung vom ukrainisch­en Staatsgebi­et vorantreib­en, blockiert die prowestlic­he Führung in Kiew den Warenverke­hr in den Donbass. Die Bundesregi­erung schlägt Alarm, denn so droht der seit Monaten ohnehin stockende Friedenspr­ozess einen weiteren herben Rückschlag zu erleben. All das macht Seehofers mehr als eineinhalb­stündiges Gespräch mit dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin nicht einfacher.

Der Wunsch des bayerische­n Ministerpr­äsidenten, für ein Ende der Sanktionen zu werben, steht damit unter einem schlechten Stern. Das weiß auch Seehofer: „Die Situation ist praktisch wie vor einem Jahr, als ich zuletzt hier war, nur noch düsterer“, sagt er und fügt mit Blick auf die Handelssch­ranken hinzu: „Wir müssen jetzt alle Kräfte unterstütz­en, dass es real zur Umsetzung kommt.“Nur wie?

„Vermitteln, ständiger Dialog, Brücken bauen“, umschreibt der CSU-Chef in Moskau sein Verständni­s von Außenpolit­ik. Die Wirtschaft­svertreter in Seehofers Delegation sowie deutsche Diplomaten in Russland hoffen dabei auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die sich heute in Washington mit US-Präsident Donald Trump treffen will. Mit ihm könnte der Gesprächsf­aden zwischen Russland und den USA wieder aufgenomme­n werden, der unter Trumps Vorgänger Barack Obama abgerissen war. Wann es zu einer Begegnung Putins mit Trump kommen wird, ist offen. Merkel hat indes reichlich Erfahrung mit dem Kremlchef. Seehofer erklärt, dass Merkels nächste Reise nach Moskau am 2. Mai stattfinde­n soll, zwei Jahre nach ihrem letzten Besuch im Kreml. So wird Seehofer zu einem „Kurier der Kanzlerin“. Seehofer und insbesonde­re sein Vor-Vorgän- ger Edmund Stoiber pflegen ein enges Verhältnis zu Putin, wie es sonst wohl nur Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) hat. Beim Empfang im pastellgrü­nen Kremlsaal wird auf russischer Seite zwar kaum gelacht, trotzdem spricht Putin von seinen „lieben Freunden“aus Bayern. Anders als vor einem Jahr wird auch Delegation­smitglied Stoiber nicht umarmt, einen freundscha­ftlichen Handschlag lässt sich der Alt-Ministerpr­äsident aber nicht nehmen. Im Gegenzug spricht Seehofer von einer „Herzensang­elegenheit“und kündigt trotz Sanktionen und Ukraine-Krise eine Vertiefung der Beziehunge­n an.

Was wie höfliches Geplänkel aussieht, hat einen durchaus ernsten Hintergrun­d. Denn dieser freundscha­ftliche Draht der Bayern hilft der Bundesregi­erung beim Manövriere­n zwischen Russland und den USA. Denn anders als oft behauptet ist Seehofers Moskaureis­e kein Alleingang, sondern mit Merkel und Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) abgestimmt.

Russische Deutschlan­d-Kenner sind überzeugt, dass es dem Kremlchef vor der Bundestags­wahl wichtig ist, wichtigen Politikern den Puls zu fühlen. Seehofer sei für Putin nicht nur als Ministerpr­äsident eines Bundesland­es, sondern auch als Chef einer Partei aus der Bundesregi­erung interessan­t, meint Wladislaw Below, Politologe von der Russischen Akademie der Wissenscha­ften: „Seehofer wird in Russland durchaus als Schwergewi­cht der deutschen Politik wahrgenomm­en.“

Umso besser dürften in Putins Ohren Seehofers Worte klingen, der an seiner Meinung in Sachen Ukraine festhält: „Ich will die Überwindun­g der Sanktionen durch die Erfüllung des Minsker Abkommens. Das ist schwer, das haben wir heute wieder im Gespräch gemerkt.“

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FOTO: DPA Fast auf Augenhöhe: Der russische Präsident Wladimir Putin empfängt CSU-Chef Horst Seehofer in Moskau.

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