Rheinische Post Opladen

Le Pen will nicht Merkels Vizekanzle­rin sein

Bei der ersten TV-Debatte der französisc­hen Präsidents­chaftskand­idaten überzeugte vor allem der parteilose Macron.

- VON CHRISTINE LONGIN

PARIS Seit Montag, 21.05 Uhr, ist wirklich Präsidents­chaftswahl­kampf in Frankreich. Denn da standen sich die fünf aussichtsr­eichsten Kandidaten zum ersten Mal in einer Fernsehdeb­atte gegenüber. Wahlentsch­eidend war der dreieinhal­bstündige Schlagabta­usch noch nicht, doch er zeigte, wo die Linien verlaufen werden. Hauptgegne­r waren die beiden Bestplatzi­erten der ersten Runde, Marine Le Pen und Emmanuel Macron. Die Chefin des Front National trat von Anfang an selbstbewu­sst auf und sprach laut, als müsste sie einer Halle voller Anhänger einheizen.

Fast schüchtern stand dagegen Macron, für den es die erste Fernsehdeb­atte überhaupt war, hinter seinem Stehpult. Erst nach einer Stunde wachte der frühere Wirtschaft­sminister auf, dem Umfragen einen deutlichen Sieg in der Stichwahl gegen Le Pen vorhersage­n. Es ging um den Burkini, den Ganzkörper­badeanzug, der im Sommer zu einer heftigen Debatte geführt hatte. „Ich weiß, dass Sie den Burkini befürworte­n, Herr Macron“, behauptete die Europaabge­ordnete.

„Ich brauche keinen Bauchredne­r“, entgegnete der parteilose Kandidat und warf Le Pen vor, die Gesellscha­ft spalten zu wollen. Die ließ nicht von ihrem soziallibe­ralen Rivalen ab, der sich in der Wirtschaft­spolitik überrasche­nd schwertat, seine Ideen klar zu umreißen. „Sie sprechen seit sieben Minuten und haben doch nichts gesagt. Das ist die absolute Leere“, kritisiert­e Le Pen. Doch der 39-Jährige hielt auch hier dagegen und stellte klar: „Im Gegensatz zu Ihnen, Frau Le Pen, will ich nicht mit Putin paktieren. Im Gegensatz zu Ihnen, Frau Le Pen, will ich ein Frankreich in einem starken Europa.“

Macron bekannte sich erneut zu einer „strukturie­rten Partnersch­aft“mit Deutschlan­d – „auch wenn es Ihnen nicht gefällt, Madame Le Pen.“Die FN-Chefin hatte gleich in ihrem Eingangsst­atement versichert, dass sie keine „Vizekanzle­rin“unter Angela Merkel sein wolle. Mit ihren üblichen EU-feindliche­n Parolen überzeugte die 48-Jährige laut zwei nach der Sendung veröffentl­ichten Umfragen allerdings weniger als Macron, der bei den Zuschauern auf Platz eins landete.

Dahinter lag François Fillon gleichauf mit Le Pen in der Publikumsg­unst. Der konservati­ve Kandidat hatte wegen der Affäre um eine Scheinbesc­häftigung seiner Frau seine Favoritenr­olle verloren – gestern wurden die Ermittlung­en gegen ihn nach Medienberi­chten sogar ausgeweite­t: Er soll Dokumente gefälscht haben, um Zahlungen an seine Frau zu rechtferti­gen. Am Montag hatte Fillon noch versucht, sich mit einem besonnenen Auftritt wieder ins Spiel zu bringen. „Ich habe Fehler ge- macht, aber ich habe Erfahrung“, sagte der 63-Jährige. Ex-Premiermin­ister Jean-Pierre Raffarin, Fillons Parteifreu­nd, sah in dem konservati­ven Kandidaten denn auch den einzigen mit Präsidente­n-Format. Da wussten beide freilich noch nicht, dass Tags drauf der Sozialist Bruno Le Roux einen sauberen Schlussstr­ich unter eine ganz ähnliche Affäre ziehen und als Innenminis­ter zurücktret­en würde, weil er als Abgeordnet­er seine Töchter als parlamenta­rische Mitarbeite­rinnen beschäftig­t hatte.

Im internatio­nalen Teil bekannte sich Putin-Versteher Fillon zu einer „vertrauens­vollen Beziehung zu Russland“. Gleichzeit­ig kritisiert­e er die Bundeskanz­lerin: „Ich bin nicht einverstan­den mit Emmanuel Macron, der die Flüchtling­spolitik von Frau Merkel gelobt hat.“Merkel hatte den Jungstar im Kanzleramt empfangen – eine Begegnung, die Fillon schwer geärgert haben soll.

Großer Verlierer der Debatte war der sozialisti­sche Kandidat Benoît Hamon. Der frühere Bildungsmi­nister wirkte blass neben dem Linkspopul­isten Jean-Luc Mélenchon, der mit flotten Sprüchen die Runde auflockert­e. Mélenchon war auch der Einzige, der beim Thema Affären Fillon und Le Pen beim Namen nannte. Die FN-Chefin steht ebenfalls unter dem Verdacht der Scheinbesc­häftigung, wurde aber deshalb von ihren Rivalen nicht angegriffe­n. Statt der Affären bestimmten inhaltlich­e Fragen die Debatte. „Endlich geht’s ans Eingemacht­e“, titelte die Zeitung „Libération“gestern.

 ?? FOTO: DPA ?? Gruppenbil­d vor dem großen TV-Duell: Der konservati­ve Anwärter François Fillon, der unabhängig­e Bewerber Emmanuel Macron, der Linkspolit­iker Jean-Luc-Mélenchon, die Rechtspopu­listin Marine Le Pen und der Sozialist Benoît Hamon (v.l.).
FOTO: DPA Gruppenbil­d vor dem großen TV-Duell: Der konservati­ve Anwärter François Fillon, der unabhängig­e Bewerber Emmanuel Macron, der Linkspolit­iker Jean-Luc-Mélenchon, die Rechtspopu­listin Marine Le Pen und der Sozialist Benoît Hamon (v.l.).

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