„Wir werden die Frauenquote weiter verschärfen“
Die Familienministerin über Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen und die Politik von Hannelore Kraft
BERLIN Wir treffen Familienministerin Manuela Schwesig im Abgeordneten-Restaurant des Bundestags. Es liegt auf derselben Ebene, wo sich auch die Eingänge zum Plenarsaal befinden. In einer Stunde wird der neue Bundespräsident FrankWalter Steinmeier vereidigt. Wir haben Zeit, bis der Ton erklingt, der die Parlamentarier in den Saal ruft.
Frau Schwesig, was hat Martin Schulz, das der Sozialdemokratie in den letzten zehn Jahren fehlte?
SCHWESIG Martin Schulz hat die Fähigkeit, Menschen wieder für Politik zu begeistern. Die Grundlage dafür ist auch, dass die Sozialdemokratie an Vertrauen zurückgewonnen und glaubwürdig durchgesetzt hat, was wir versprochen haben. Die SPD ist das moderne Gesicht dieser Regierung. Die Union ist wie ein Klotz am Bein, wenn es um die Modernisierung der Gesellschaft geht.
Wenn die SPD schon so viel durchsetzen konnte, warum sind die Menschen dann so unzufrieden?
SCHWESIG Wir haben viele Verbesserungen erreicht, auch gegen Widerstände der Union. Aber das hat eben Grenzen. Wir konnten zum Beispiel das Elterngeld-Plus einführen, eine wichtige Unterstützung für Familien. Aber der große Wurf wie der Ausbau der Ganztagsschulen oder die Einführung einer Familienarbeitszeit ist mit der Union nicht zu machen.
Wie sieht Ihr Konzept zur Familienarbeitszeit aus?
SCHWESIG Wir wollen berufstätige Frauen und Männer besser unterstützen, die mehr Zeit für ihre Kinder oder pflegebedürftige Angehörige benötigen. Das Elterngeld hilft bislang nur Familien mit unter zweijährigen Kindern. Danach gibt es keine weitere Unterstützung für Familien. Im Pflegebereich gibt es die zehntägige Auszeit mit einer finanziellen Leistung, aber auch das reicht nicht. Hier soll die Idee der Familienarbeitszeit ansetzen.
Was wird diese zusätzliche Subvention für Familien den Staat kosten?
SCHWESIG Wir müssen die Familien in ihren Wünschen nach einer besseren Vereinbarkeit unterstützen. Berufstätige Frauen und Männer tragen zu den hohen Steuereinkommen und den Sozialversicherungsbeiträgen bei. Dann ist es auch nur gerecht, wenn sie daraus unterstützt werden.
Ihre erste Bilanz nach der Einführung der Frauenquote zeigt: Wenn Unternehmen sich selbst eine Quote für Frauen in Führungspositionen setzen, bewegt sich wenig. Wollen Sie gesetzlich nachbessern?
SCHWESIG Die gute Nachricht ist: Das Gesetz wirkt. Es zeigt, dass es da, wo wir verbindliche Quoten vorschreiben, auch mehr Frauen in Führungspositionen gibt. Aber wir sehen auch, dass dort, wo wir den Firmen Spielräume gelassen haben, ein Großteil nichts macht. Die Unternehmen, die meinen, sie können sich mit Nichtstun aus der Verantwortung stehlen, provozieren, dass wir uns das Gesetz zur Frauenquote in der nächsten Legislaturperiode wieder vornehmen und weiter verschärfen. Wir müssten dann die gesetzliche, verbindliche Frauenquote auf insgesamt mehr Unternehmen ausweiten.
Kommt das Gesetz zur Lohngleichheit in dieser Wahlperiode durch?
SCHWESIG Ja. Das Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern soll nächste Woche im Bundestag beschlossen werden. Das ist ein weiterer wichtiger Schritt, um die Lohnlücke von 21 Prozent zu schließen. Künftig wird es einen Rechtsanspruch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Unternehmen ab 200 Mitarbeitern geben, um zu erfahren, ob sie im Vergleich mit mindestens sechs Kollegen gleichermaßen eingestuft sind oder ob es da Unterschiede gibt.
Wie wirksam wird das Gesetz zur Lohngerechtigkeit sein können, wenn nur Unternehmen ab 200 Mitarbeitern davon betroffen sind?
SCHWESIG Das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit“gilt für alle Arbeitnehmer, unabhängig von der Unternehmensgröße. Die Lohnlücke ist gerade in größeren Unternehmen größer – sie reicht dort bis zu 25 Prozent. Die Lohnlücke wurde für viele Jahre einfach als gegeben hingenommen. Durch dieses Gesetz geben wir den Anstoß, dass die Sozialpartner, Unternehmen wie Gewerkschaften, genauer hinschauen.
Sie wollen die Gebührenfreiheit bei Kitas einführen. Wie soll das gehen?
SCHWESIG Der Bund soll stärker in die Kita-Finanzierung einsteigen und damit die Kitas für alle Altersgruppen von null bis sechs Jahren gebührenfrei machen.
Allein für die Drei- bis Sechsjährigen kostet das sechs Milliarden Euro . . .
SCHWESIG. Nein. Diese Zahl ist viel zu hoch. Nach unseren Berechnungen durch die Technische Universität Dortmund gehen wir von Kosten von etwas mehr als 3,5 Milliarden Euro aus. Wir prüfen gerade, wie viel ein Kita-Bundesprogramm konkret kosten würde. Die Abschaffung der Kita-Gebühren wäre eine wirksame Entlastung der Familien.
Martin Schulz hat sich das Vorhaben der NRW-Ministerpräsidentin zu eigen gemacht – kein Kind zurücklassen. Was tut der Bund dafür?
SCHWESIG Wir haben mit der Anhebung des Kinderzuschlages, der Erhöhung des Steuerfreibetrags für Alleinerziehende und die Sprachförderung in den Kitas nun wichtige Maßnahmen auf den Weg gebracht. Auch die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses für Alleinerziehende bekämpft gezielt Kinderarmut. Unsere Pläne für kostenlose Kita-Betreuung und einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz gelten auch für Schulkinder.
Warum ist es in NRW noch nicht gelungen, die Kinderarmut deutlich zu senken?
SCHWESIG Kinder sind dann arm, wenn ihre Eltern arm sind. Da müssen wir ansetzen. Etwa indem wir Alleinerziehende unterstützen. Die Landesregierung in NRW setzt mit dem Projekt „Kein Kind zurücklassen“erfolgreich mit einer vorbeugenden Politik an. Da werden Strukturen verändert, um zu verhindern, dass Armut vererbt wird und die Chancen der Kinder steigen. BIRGIT MARSCHALL UND EVA QUADBECK FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.