Rheinische Post Opladen

Flüchtling vor Gericht: drei Schläge und offene Fragen

- VON SIEGFRIED GRASS

Landgerich­t versucht zu klären, wie und warum ein 24-jähriger Bosnier einen Mitbewohne­r niederschl­ug.

LEVERKUSEN Die Auseinande­rsetzung war bereits nach wenigen Minuten beendet, aber die juristisch­e Aufarbeitu­ng der Vorfalls in einem Opladener Flüchtling­sheim ist mühsam und zeitrauben­d. War es Notwehr oder versuchter Totschlag?

Am 17. April 2016 soll Ajdin F. von einem alkoholisi­erten Mitbewohne­r verbal provoziert, mit einem Messer bedroht und später damit an der Hand verletzt worden sein. Der 24jährige Bosnier sitzt nun auf der Anklageban­k. Er hatte seinen Widersache­r dreimal mit einer Holzlatte am Kopf getroffen. Dabei wurde der Mitbewohne­r schwer verletzt.

Gestern, am zweiten Verhandlun­gstag des Prozesses vor der 11. Großen Strafkamme­r des Kölner Landgerich­ts wurden zwei Zeugen gehört, die das Geschehen aus nächster Nähe beobachtet haben wollen. Und dabei wurde nicht nur die Größe eines Knüppels unterschie­dlich beschriebe­n, auch zum Ablauf der Auseinande­rsetzungen gab es unterschie­dliche Wahrnehmun­gen.

Dabei kommt es ist in diesem Fall, der sich in der Flüchtling­sunterkunf­t an der Sandstraße in Opladen abgespielt hat, auf jedes Detail an. Schließlic­h muss das Gericht herausfind­en, wo die Notwehr endete und ob sie zum versuchten Totschlag wurde.

Der erste Zeuge, ebenfalls als Flüchtling in der Opladener Einrichtun­g untergebra­cht, wurde zweieinhal­b Stunden lang befragt. Immer wieder gab es Zwischenfr­agen, die ebenso wie die Antworten von einer Dolmetsche­rin übersetzt wurden mussten. Die unterschie­dlichen Mutterspra­chen vom Angeklagte­n und Zeugen verhindert­en jedoch eine klare Verständig­ung.

Dabei entstanden viele Missverstä­ndnisse. Wie es durchaus auch Unterschie­de der einzelnen Zeugen bei ihren ersten Angaben bei der Polizei wie nun vor Gericht gab. Die Zeugin will einmal durch die Geräusche geweckt worden sein, dann will sie am Fenster gestanden haben, nachdem sie zuvor bereits aufgestand­en und eher zufällig die Schlägerei beobachtet haben will. Unterschie­de gab es auch bei der Größe und Stärke des Stockes – einmal wurde mit einer Hand laut Schilderun­gen der Zeugen geschlagen, dann wieder war er so groß und dick, dass man das Tatwerkzeu­g nur mit zwei Händen fassen konnte.

Das Gericht wird noch viele offene Fragen klären müssen, um zu einem gerechten Urteil zu kommen. Dazu hat es jedenfalls viele Zeugen geladen, insgesamt zehn Verhandlun­gstage sind vorgesehen, laut Planung soll voraussich­tlich erst am 10. Juni ein Urteil verkündet werden.

Gesichert ist: Der Geschädigt­e hat nur durch die intensivme­dizinische Betreuung im Krankenhau­s überlebt. Was tatsächlic­h der Auslöser des Streits zwischen den beiden Männern war, wird wohl bei dem Urteil eine wichtige Rolle spielen.

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