Rheinische Post Opladen

Gott macht den besten Biskuit-Teig

Die Verfilmung des Bestseller­s „Die Hütte“erzählt von einem Familienva­ter, dessen Tochter plötzlich verschwind­et.

- VON RENÉE WIEDER

Schon bevor Mack (Sam Worthingto­n) das Schlimmste passiert, das einem Vater zustoßen kann, ist er nicht nah bei Gott. Dafür war die Mutter in der Kindheit zu früh weg, der Vater zu gewalttäti­g. Die Reste seines Glaubens verliert Mack, als seine jüngste Tochter Missy (Amélie Eve) vom Campingpla­tz verschwind­et. Nur drei Minuten hatte Mack sie nicht im Blick, weil er seinen Sohn nach einem Badeunfall reanimiere­n musste. Wie man ihm mitteilt, wurde Missy wahrschein­lich das Opfer eines gesuchten Serienkill­ers. Nicht lange danach findet die Polizei in einer abgelegene­n Waldhütte ihr blutiges Kleid.

Drei Jahre später ist Missys Leiche noch immer verschwund­en, während Mack vor den Augen seiner Familie zerbricht, anders als seine Frau Nan (Radha Mitchell), die in ihrem Glauben Halt findet. An einem kalten Wintertag liegt ein mit „Papa“unterschri­ebener Zettel im Briefkaste­n, so hat Missy Gott immer genannt. Der Schreiber bittet Mack übers Wochenende zu einem Treffen in die Hütte. Ein grausamer Scherz? Oder, wie Nan meint, ein Wunder?

Die offizielle Entstehung­sgeschicht­e der spirituell­en Erzählung „The Shack“jedenfalls klingt ein bisschen nach Wunder. Der Schriftste­ller William Paul Young fand 2007 keinen Verlag für sein Buch, bastelte für 300 Dollar eine Website und druckte es selbst. Knapp zwei Jahre später stand das Buch an der Spitze der „New York Times“-Bestseller­liste, wo es sich 70 Wochen lang hielt. Allein in Deutschlan­d verkaufte sich „The Shack“bis heute eine Million Mal. Die Adaption von Regisseur Stuart Hazeldine („Exam“) folgt der Vorlage inhaltlich so genau, wie das bei einem Kultbuch klug ist, aber das Herz oder die Seele des Zuschauers erreicht sie trotzdem nicht. Der Film ist wilder Gefühlskit­sch, rund zwei Stunden Nahtoderfa­hrung in bonbonbunt­en Bildern.

Mack erreicht die Hütte, nicht sicher, ob er dem Mörder seiner Tochter begegnen wird. Vielleicht auch dem toten Vater, den Mack selbst mit 13 Jahren vergiftete. Oder, Gott bewahre, Gott selbst? Im verschneit­en Wald herrscht rings um die Hütte mildes Sommerwett­er. Der Schöpfer empfängt Mack mit Schürze und mehligen Händen in der Küche. Gott wird, mit großer und sehr irdischer Wärme, von Oscarpreis­trägerin Octavia Spencer gespielt. Was sicher überrasche­n soll, nach schwarzen Kinogötter­n wie Morgan Freeman und Whoopi Goldberg aber doch längst etabliert ist.

Gott backt also tollen Biskuit-Teig, hört Reggae über ihren iPod und konzentrie­rt sich zwei Tage lang so bedingungs­los auf Mack, als gäbe es keine anderen Jobs zu erledigen, keine weiteren siebeneinh­alb Milliarden Schäfchen. Auch erscheint Gott in familiärer Dreifaltig­keit mit einem orientalis­chen Jesus (Avraham Aviv Alush), der mit Mack eine Runde übers Wasser läuft, und einem asiatische­n Heiligen Geist (Japans Popstar Sumire), der mit Mack im Garten seiner eigenen Seele spa- zieren geht. Zwischendu­rch sitzen alle zusammen im Wohnzimmer und reden über Hass, Depression und all die anderen Verirrunge­n, die vom Schicksal geschlagen­e Menschen wie Mack quälen. Eine überaus herzliche Multikulti-Diskussion­srunde, in der eigentlich nur noch Oprah Winfrey fehlt.

Anfangs ist Mack allerdings noch nicht bereit, den Hiob zu spielen und geht in seiner Wut auf Gott los. Wie kann „Papa“solches Leid zulassen und trotzdem den Anspruch er- heben, gut zu sein? Gott stellt sich Macks Fragen mit endloser Geduld und später Tränen des Mitgefühls, wirklich beantworte­n kann sie sie nicht. Stattdesse­n wird Macks Seele schnellthe­rapiert, damit er begreift, dass Gott, genau wie ein Vater, all seine Kinder gleich zu behandeln hat, ob brav oder böse. Am Ende soll Mack den Weg gehen, den sein neuer Freund Jesus einst wählte: Gott führt ihn in den Wald, wo er lernen muss zu vergeben, dem Mörder und auch sich selbst, um Frieden zu fin- den. Bis die Katharsis endlich kommt, fließt der Film mit rührselige­n Gesprächen in erbauliche­r Natur dahin wie ein Wochenends­eminar zum Thema Trost im Glauben. Ein sehr langes. Die Hütte – Ein Wochenende mit Gott, USA 2017 – Regie: Stuart Hazeldine, mit Octavia Spencer, Sam Worthingto­n, Tim McGraw, Avraham Aviv Alush, Radha Mitchell, Alice Braga, Graham Greene, Amélie Eve, 133 Minuten Bewertung:

 ?? FOTO: DPA ?? Sam Worthingto­n als Mack mit Oscarpreis­trägerin Octavia Spencer.
FOTO: DPA Sam Worthingto­n als Mack mit Oscarpreis­trägerin Octavia Spencer.

Newspapers in German

Newspapers from Germany