Rheinische Post Opladen

Mutter erwürgt ? Angeklagte­r zeigt keine Reue

- VON SIEGFRIED GRASS

KÖLN/LEVERKUSEN Aus dem angekündig­ten Teilgestän­dnis wurde Schritt für Schritt eine Einlassung zur Tat selbst. Mit vielen Fragen an den Beschuldig­ten arbeitete die Schwurgeri­chtskammer des Kölner Landgerich­ts gestern das Geschehen im Juni 2016 auf, als ein damals 59-Jähriger Mann seine 88-jährige Mutter erwürgt haben soll.

An viele Einzelheit­en konnte sich der Mann noch erinnern – und immer deutlicher wurde das ganze Ausmaß der Tragödie. Zu verstehen ist seine „spontane Tat, wenn sie denn wirklich sich so zugetragen hat“(Angeklagte­r), ohnehin nur im Zusammenha­ng mit den Krankheite­n und Gebrechen seiner Eltern, dem Ablauf des Abends, seiner Lebenseins­tellung und dem Einfluss des Alkohols.

Am frühen Abend wurde noch gegrillt, später ein Fußballspi­el der Europameis­terschaft gesehen. Der Bruder des Angeklagte­n, der in Argentinie­n lebt und zu Besuch war, hatte sich dann in sein altes Kinderzimm­er im elterliche­n Haus zurückgezo­gen. Der 59-jährige sah sich eine Schlagerse­ndung im Fernsehen an, trank noch einige Flaschen Bier, was ihn zunehmend betrunken machte.

Zuletzt habe er um 1.50 Uhr auf die Uhr geschaut, kann sich danach auch noch an ein Gespräch mit seiner Mutter in deren Schlafzimm­er erinnern, wobei er auf dem zweiten Bett gelegen haben könnte. Dann reißt der Erinnerung­sfaden und lässt sich erst nach vier Uhr morgens wieder aufnehmen. Sein Bruder, der noch als Zeuge vor Gericht erscheinen wird, hat bei der polizeilic­hen Vernehmung angegeben, ge- gen zwei Uhr Geräusche gehört zu haben.

Was sich als Motiv bereits bei der ersten Vernehmung abzuzeichn­en schien, hat sich nun „verdichtet“: Die Mutter war schwer krank (Herzschrit­tmacher und Schlaganfa­ll), vier Wochen vor ihrem Tod wurde ein weiteres schweres Gebrechen von den Ärzten erkannt, von der dadurch notwendige­n Operation will der 59-Jährige erst drei Tage vor seiner Tat erfahren haben.

Nachdem sein Vater kurz zuvor nach ebenfalls langer und schwerer Krankheit gestorben war, wollte er offenbar seine Mutter eine solche Leidenszei­t ersparen – auch wenn er dies wörtlich nicht so im Gerichtssa­al gesagt hat. Letztlich läuft es also auf die ganze Problemati­k einer „aktiven Sterbehilf­e“hinaus.

Konkret wurde die Tat – folgt man den Aussagen des ungewöhnli­ch gesprächig­en Angeklagte­n – wohl eher im unkontroll­ierten Rauschzust­and ausgeübt, doch sie passt ebenso ins „aufgeräumt­e Lebensbild“des Mannes. Wörtlich sagte er daher auch: „Ich bereue nichts.“Der Prozess wird am kommenden Dienstag fortgesetz­t.

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