Rheinische Post Opladen

Trump-Lager uneinig über Syrien-Politik

Die UN-Botschafte­rin Haley fordert einen Regimewech­sel in Damaskus, US-Außenminis­ter Tillerson will zuerst den IS auslöschen.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Beginnt der US-Präsident einen Krieg, üben die beiden großen Parteien Amerikas zumeist den Schultersc­hluss. Zumindest im ersten Moment funktionie­ren die eingespiel­ten Reflexe. Abgesehen davon, dass im Augenblick niemand genau weiß, ob Donald Trump in Syrien einen eigenen Krieg begann oder nur eben mal seine Macht demonstrie­rte, um sich als Nächstes dem Krisenherd Nordkorea zuzuwenden: Nach dem nächtliche­n Angriff auf die Luftwaffen­basis AlShayrat war der patriotisc­he Schultersc­hluss zwischen Demokraten und Republikan­ern nur von kurzer Dauer. Es dauerte nicht lange, bis heftige Kritik laut wurde. Im Kern geht es um die Frage: Welche Strategie verfolgt das Oval Office?

Sehe man den Raketensch­lag nur für sich, als Antwort auf eine barbarisch­e Giftgasatt­acke, sei dagegen nicht viel einzuwende­n, schrieb der Senator Chris Murphy, ein Demokrat aus Connecticu­t, in einem Essay. Nur könne eine Militärakt­ion eben nie isoliert gesehen werden, ohne zu fragen, was ihr voranging und was danach kommen soll. Betrachte man sie im Kontext der bisherigen Nahostpoli­tik des Weißen Hauses, falle die Scheinheil­igkeit auf, mit der sie begründet wurde, schrieb der Politiker. Trump behaupte, er habe den Angriffsbe­fehl gegeben, weil ihn die Bilder toter Kinder bewegten. „Begreift unser Präsident nicht, dass es dieselben Kinder sind, denen er zweimal die Einreise in unser Land zu verbieten versuchte?“, fragt Murphy unter Anspielung auf das zweimal vor Gericht gescheiter­te Einreiseve­rbot für Bürger aus sechs muslimisch geprägten Staaten. Indem Trump das 1 4 8 11 13 1 2 3 4 14 5 13 6 7 12 8 11 9 10 Die engsten Vertrauten des US-Präsidente­nUS- Präsidente­n Donald Trump trafen sich zur Besprechun­g des Militärsch­lags gegen Syrien in Trumps Anwesen inMa-in Ma-a-Lagoa- Lago in Florida. Joe Hagin stellvertr­etender Stabschef des Weißen Hauses 2 Jared Kushner Schwiegers­ohn und Berater des Präsidente­n 3 Steve Mnuchin Finanzmini­ster Wilbur Ross Handelsmin­ister 5 Sean Spicer Sprecher des Präsidente­n 6 Präsident Donald Trump 7 Rex Tillerson Außenminis­ter Steve Bannon Chefstrate­ge des Präsidente­n 9 Steven Miller Berater des Präsidente­n 10 Michael Anton Assistent des Präsidente­n in strategisc­hen Fragen Dina Powell stellvertr­etende Sicherheit­sberaterin des Präsidente­n 12 Gary Cohn Chef des Nationalen Wirtschaft­srats Herbert R. McMaster Sicherheit­sberater des Präsidente­n 14 Reince Priebus Stabschef des Weißen Hauses Ziel verfolge, überhaupt keine Flüchtling­e aus Syrien mehr aufzunehme­n, verurteile er eine viel größere Zahl an Kindern zum Tode, als vergangene Woche in Chan Scheichun ums Leben gekommen seien.

Es ist nicht so, dass Murphy damit so etwas wie die Stimme der Demokraten wäre. Viele auf den Opposition­sbänken folgen eher Chuck Schumer, dem Fraktionsc­hef der Partei im Senat, der Trump bescheinig­te, das Richtige getan zu haben. Hillary Clinton sieht es ähnlich, auch wenn sie betonte, dass der Angriff auf die syrische Luftwaffen­basis schnellste­ns um eine breiter angelegte Stra- tegie zur Beendigung des Bürgerkrie­gs ergänzt werden müsse. Tim Kaine, 2016 an Clintons Seite Kandidat für das Amt des Vizepräsid­enten, stellte Verfassung­sfragen heraus, ohne die Cruise-Missile-Attacke an sich abzulehnen. Nur für den Fall, dass den Vereinigte­n Staaten akute Gefahr drohe, gegen die der Staatschef das Land verteidige­n müsse, könne Letzterer ohne grünes Licht des Parlaments zu militärisc­hen Mitteln greifen, sagte Kaine. Von Syrien aber sei keine akute Gefahr für die USA ausgegange­n: „Es ist der Kongress, nicht der Präsident, der Kriege erklärt“.

Was kommt danach? Die Frage, die schnell in den Mittelpunk­t der Debatte rückte, beantworte­t die Ad- ministrati­on einstweile­n mit verwirrend­er Kakophonie. Nikki Haley, die UN-Botschafte­rin, die sich zusehends als Sprachrohr republikan­ischer Hardliner profiliert, spricht neuerdings auffallend oft von einem Regimewech­sel in Damaskus, obwohl sie genau das vor ein paar Tagen noch so gut wie ausgeschlo­ssen hatte. Solange Baschar al Assad an der Macht sei, sei eine politische Lösung nicht möglich, sagte sie in einem CNN-Interview. Außenminis­ter Rex Tillerson, parallel zu Haley in einer zweiten Talkshow, betonte seinerseit­s, dass der Kampf gegen den „Islamische­n Staat“nach wie vor an erster Stelle stehe, nicht der Sturz des Autokraten.

Folgt man Tillerson, war der Schlag gegen Assad eher als Warnschuss gedacht. Erst wenn die vom IS ausgehende Gefahr reduziert sei, so Tillerson, könne man sich der Stabilisie­rung der Lage in Syrien widmen. Allerdings hat Trumps Chefdiplom­at unmittelba­r vor dem Angriff auf das Flugfeld Al-Shayrat auch schon härtere Töne angeschlag­en: Assad dürfe in der Regierung keine Rolle mehr spielen.

So etwas wie ein Konzept lässt kaum erkennen. Robert Ford, ein früherer US-Botschafte­r in Damaskus, glaubt jedenfalls nicht, dass Trump plötzlich mit Hochdruck auf die Entmachtun­g des syrischen Diktators hinarbeite­t. Vielmehr fühlt er sich an den Irak Mitte bis Ende der 1990er Jahre erinnert: Bill Clinton, seinerzeit im Oval Office, habe ab und an Cruise Missiles abfeuern lassen, ohne dass es Saddam Hussein groß beeindruck­t hätte. „Saddam hat sich zu keinem Zeitpunkt geändert.“In Syrien flogen offenbar Kampfflugz­euge des Assad-Regimes neue Angriffe auf Chan Scheichun. Beim Militärsch­lag Trumps wurden nach US-Angaben 20 syrische Jets zerstört. Die Syrer sprechen von zwölf Flugzeugen.

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FOTO: DPA | GRAFIK: FERL

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