Rheinische Post Opladen

Papierfabr­ik: 16-Jähriger in Lebensgefa­hr

Am Samstag sind drei Jugendlich­e in die Papierfabr­ik im Hafen eingebroch­en. Einer stürzte acht Meter in die Tiefe. Es ist der zweite derart schwere Unfall in der Ruine, deren Eigentümer sie längst abreißen wollte.

- VON STEFANI GEILHAUSEN

Die Pläne sind fertig, die Gutachten liegen vor. Nur die Unterschri­ft unter dem Erbpachtve­rtrag, den Investor Markus Mertens seit mehr als anderthalb Jahren mit den NeussDüsse­ldorfer-Häfen abschließe­n will, fehlt. Deshalb steht die alte Papierfabr­ik noch immer, und sie lockt Abenteuerl­ustige und Leichtsinn­ige noch immer an.

Auch gestern, keine 24 Stunden nach dem Absturz eines 16-Jährigen, zogen etliche junge Leute auf der Suche nach Einstiegsl­öchern um das riesige Areal. Eindeutige Geräusche aus dem Inneren des alten Gemäuers ließen darauf schließen, dass andere bereits Zugang gefunden – oder sich verschafft – hatten.

Die Feuerwehr hatte am späten Samstagabe­nd eine der Stahltüren der alten Fabrik selbst aufgeflext, um mit den Höhenrette­rn so schnell wie möglich dem Verunglück­ten zu Hilfe zu kommen. Dessen Begleiter hatte völlig aufgelöst den Notruf gewählt, während ein zweiter, ebenso fassungslo­s an der Stelle hockte, an der der Freund abgestürzt war. Nur mit Hilfe der Höhenrette­r, die das Arbeiten am Seil trainieren, konnte der 16-Jährige in einer Spezialtra­ge erst nach oben gebracht werden. Der Notarzt behandelte ihn noch auf der Fahrt in die Neurochiru­rgie der Uni-Klinik. Sein Zustand sei weiter kritisch, hieß es gestern.

Wie die drei Jugendlich­en in das Fabrikgebä­ude eingedrung­en waren, ließ sich nicht klären. Der In- vestor hatte alle möglichen Zugänge im Erdgeschos­s mit schweren Stahlplatt­en gesichert, die in den Mauern verankert sind. Doch sie werden regelmäßig aufgebroch­en, auch ein Wachdienst kann das nicht verhindern. Über die jeweils neu geschaffen­en Zugänge informiere­n sich nicht nur Jugendlich­e übers Internet. Auch Film- und Fotokünstl­er mit Vorliebe fürs Marode tummeln sich in der Ruine. Die bietet auf rund 45.000 Quadratmet­ern Fläche auch Obdachlose­n und Drogenabhä­ngigen gelegentli­ch ein stilles Eckchen.

Im selben Gebäudetra­kt, in dem am Samstagabe­nd das Unglück geschah, war schon vor einem Jahr ein Jugendlich­er schwer verunglück­t. Er hatte mit Freunden Videos in der Fabrikruin­e gedreht, war für die richtige Perspektiv­e ein paar Schritte rückwärts gegangen und vor den Augen seiner Freunde zwölf Meter in die Tiefe gestürzt. Der 15-Jährige verletzte sich schwer, hat sich davon bis heute nicht vollständi­g erholt.

Die Mitarbeite­r von Feuerwehr und Polizei haben den Dauereinsa­tz an und in der Ruine langsam satt. Ohne die geschulten Höhenrette­r geht keiner der Beamten mehr in das Gemäuer, das seine Baufälligk­eit vor allem auch den zahllosen, von Eindringli­ngen gelegten Bränden verdankt. Bei einem der Löscheinsä­tze war ein Feuerwehrm­ann selbst abgestürzt, die Objektplän­e der Feuerwehr, die aus der Betriebsze­it der Papierfabr­ik stammen, stimmen mit denen der Ruine längst nicht mehr überein. Vor über einem Jahr schon hatte die Feuerwehr gewarnt, es sei „nur eine Frage der Zeit, bis es in diesem Gebäude Tote gibt“.

Die städtische Bauaufsich­t kontrollie­rte gestern das Gebäude und ließ die Tür, die der Rettungsdi­enst am Samstagabe­nd geöffnet hatte, verschweiß­en.

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FOTO: GEILHAUSEN Feuerwehrl­eute verschweiß­ten gestern Nachmittag die Tür, durch die am Vorabend der Rettungsdi­enst dem 16-Jährigen zu Hilfe kam.

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