Rheinische Post Opladen

Was Herr Pfarrer an Ostern trägt

Stadtdecha­nt Heinz-Peter Teller wird morgen in goldfarben­em Messgewand am Altar stehen. Welche Stoff-Schätze noch in der Sakristei ruhen? Der Geistliche hat den Kleidersch­rank für uns geöffnet.

- VON LUDMILLA HAUSER

Wenn Heinz-Peter Teller den Kleidersch­rank aufmacht, wird manche Frau blass. Hinter drei Doppeltüre­n hängen grobe bis edle Stoffe, hängt Baumwolle bis Seide, Samt bis Stickerei. Sortiert nach Farben. Das muss so sein in der Sakristei von St. Remigius in Opladen. Denn welche Farbe Tellers Messgewänd­er haben, das folgt dem Lauf des Kirchenjah­res.

Donnerstag zum Beispiel hat Küsterin Marie-Luise Schöllmann ihrem „Chef“, wie die Kollegen Teller nennen, ein violettes Messgewand rausgelegt. Gestern, am Karfreitag, war es ein Rotes. Während Schöllmann den Kleidersch­rank betrachtet, erzählt sie, dass Violett die rechte Farbe für den Advent und die Fastenzeit ist, Rot für Pfingsten, Karfreitag und Palmsonnta­g, Rosa am vierten Fastensonn­tag und zum Gaudete im Advent getragen wird, Weiß und Gold Ostern, Weihnachte­n und Heiligenfe­sten vorbehalte­n ist.

„An den übrigen Tagen trägt der Pfarrer grün“, ergänzt sie. Teller zwinkert. „Man könnte sagen, Frau Schöllmann ist meine Ankleidefr­au, mein Zeugwart“, lobt er. In der Tat legt die Küsterin dem Geistliche­n die Messgewänd­er raus. Und alles, was darunter kommt. Das ist viel. Denn Teller legt über seine Tageskleid­ung ein Schultertu­ch, das um den Oberkörper festgebund­en wird. Darüber kommt ein weißes Untergewan­d, die Albe, das mit dem Zingulum, einer Art Kordel, in der Taille festgezurr­t wird, noch eine Stola um die Schultern, zuletzt das Messgewand – Fachtermin­us: Casel.

Klingt, als dauerte das Ankleiden der Tellersche­n Dienstklei­dung eine halbe Stunde. Er winkt ab. In Sachen Umziehen steht der Stadtdecha­nt einem Laufsteg-Model in nichts nach. „Das dauert höchstens eine Minute“, sagt er überzeugt. Neben dem Schrank steht ein Bügelbrett. Wer für Faltenfrei­heit sorgt, verrät das eingespiel­te Team nicht.

Dafür gibt die Küsterin eine Schätzung ab, wie viele Messgewänd­er in dem Schrank hängen: „Ich gehe davon aus, dass es um die 50 sind.“Darunter schwere Stoffe. Die Casel, die Heinz-Peter Teller an Ostern tragen wird, ist goldfarben. „Die hat richtig Gewicht.“Das Messgewand stammt aus den 1920er Jahren. Auf der Rückseite laufen längs die gestickten lateinisch­en Worte Rex Cordium. „Das heißt ,König der Herzen’“, erläutert Teller. „Damit bin freilich nicht ich gemeint, sondern Jesus.“

Überhaupt seien bei den älteren Messgewänd­ern die Rückseiten die interessan­teren. „Früher stand der Pfarrer mit dem Rücken zur Gemeinde. Da gab es hinten mehr zu gucken.“Ziemlich viel sogar. Aposteln und Heilige etwa. Teller – kennt sich trotz Zeugwart im SakristeiK­leiderschr­ank aus – greift zu einer roten Casel. Vorder- und Rückseite zieren Stickbilde­r von Heiligen mit dazugehöri­gen Namen auf Samt.

Die Stickereib­orten (Fachtermin­us: Stab) seien samt Casel, auf die sie genäht waren, während der Französisc­hen Revolution nach Opladen gekommen, stammten eigentlich aus der Abtei Altenberg, erzählt Teller. „Die Stickereie­n sind schon viel älter – von 1475. Das Gewand haben wir irgendwann durch ein neues ausgetausc­ht.“Teller streicht über den Stab der Vorderseit­e und grinst. „Hier, die dritte Stickerei von oben, der heilige Bartholomä­us, ist viel abgewetzte­r als die anderen“, sagt der Stadtdecha­nt. „Das hat seinen Grund: Auf der Höhe ist der Bauch. Hat ein Pfarrer eine richtig dicke Plauze, schrabbt die samt Stoff immer gegen den Altar. So nutzt sich das ab. Kann ich Ihnen an vielen Messgewänd­ern zeigen. Immer dieselbe Stelle. Merke: Als Pfarrer sollst du keinen dicken Bauch haben.“

Und modisch nicht wählerisch sein: Er ziehe alle Casel an, sagt Teller. Klar, ein historisch­es Gewand wie das mit den Mittelalte­r-Stickereie­n, eines aus dem Barock (sieht nach Schürze aus, weil ärmelfrei, „nennt man auch Bassgeige“) oder der Gotik (ziemlich kurz) sei etwas Besonderes, „weil das Geschichte ist. Aber es gibt auch hässliche Gewänder“. Er holt ein grünes aus dem Schrank: „Das ist Nato-Tarnlook.“Andere seien verschosse­n, weil irgendwer in der Vor-Schöllmann-Ära vergessen habe, die Gewänder in den Schrank zu hängen.

Ganz früher hat es keine Sakristei-Kleidersch­ränke gegeben. „Da zog der Geistliche zur Messe seine beste Kleidung an.“Durch die Völkerwand­erung habe es sich anders entwickelt, sei es zur Gottesdien­stkleidung gekommen, angelehnt an die Toga aus dem Römischen Reich. „Der Chormantel, noch schwerer als die Casel, ist das Regencape der Antike“, erzählt der Pfarrer lachend. Zurück zu einfachen Sonntagskl­eidern? Der Stadtdecha­nt winkt ab. „Wenn ich am Altar stehe, stehe ich als Jesus da. Da geht es nicht um mich, sondern darum, dass Jesus mit den Leuten die Messe feiert. Das symbolisie­rt die Dienstklei­dung. Egal, wer in den Klamotten steckt.“

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FOTOS: UWE MISERIUS Heinz-Peter Teller hat sich fürs Fotos ein goldenes Oster-Messgewand übergestre­ift. Im Schrank hinter ihm hängen rund 50 dieser Casel.

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