Rheinische Post Opladen

Von Beruhigung keine Spur

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Der überrasche­nd knappe Ausgang des Verfassung­sreferendu­ms in der Türkei, aber auch die deutliche Zustimmung von Türken in Deutschlan­d zum Präsidials­ystem hat eine Reihe neuer Fragen zur Zukunft des deutsch-türkischen Verhältnis­ses und zu den Mitgliedsc­haften Ankaras in internatio­nalen Bündnissen aufgeworfe­n. Wird Präsident Erdogan die Angriffe nun einstellen? Noch in der Schlusspha­se des Wahlkampfe­s rief Erdogan seine Anhänger dazu auf, Deutschlan­d mit dem Referendum einen „Denkzettel“zu erteilen. Ein neuerliche­r Versuch, damit die Türken in Deutschlan­d zur Wahl zu motivieren, kann nicht dahinterge­steckt haben, denn deren Abstimmung war seit einer Woche gelaufen. Es handelt sich also um eine tief sitzende Aversion. „Im deutsch-türkischen Verhältnis ist es jetzt an Erdogan, von der Palme wieder herunterzu­kommen, auf die er im Wahlkampf geklettert ist“, sagte EU-Parlaments­vizepräsid­ent Alexander Graf Lambsdorff (FDP). Wie haben die Türken in Deutschlan­d abgestimmt? Mit insgesamt 63 Prozent für ein Ja zur neuen Präsidialv­erfassung. Die höchste Zustimmung gab es in Essen (75,9), Düsseldorf (69,6) und Stuttgart (66,3), die niedrigste in Berlin (50,1), Nürnberg (55,4) und Hannover (58,6 Prozent für Ja). Noch größer war die Zustimmung in Belgien (75,0), Österreich (73,2) und in den Niederland­en (71,0 Prozent). Dagegen stimmten die Türken in den USA zu 83,8 Prozent mit Nein. Was folgt daraus für die Bundesregi­erung? Innenminis­ter Thomas de Maizière erwartet, dass „sich gerade die Türken und die Deutsch-Türken in Deutschlan­d an einer Debatte zu einer konstrukti­ven gemeinsame­n Zukunft beteiligen“. Ein „weiteres Auseinande­rdriften unserer Kulturkrei­se kann und darf es bei uns jedenfalls nicht geben“. sagte der CDU-Politiker unserer Redaktion. . . . und für den NRW-Wahlkampf? „Das Referendum spaltet auch unser Land“, erklärte CDU-Vize und NRW-Spitzenkan­didat Armin Laschet. Er rief Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft dazu auf, den „integratio­nsschädlic­hen“Plan für ein kommunales Ausländerw­ahlrecht zu stoppen. „Der gesellscha­ftliche Zusammenha­lt braucht eine Offen- sive für die Werte des Grundgeset­zes und keine Geschenke an Erdogan“, sagte Laschet unserer Redaktion. Ein kommunales Wahlrecht ohne Rechte und Pflichten eines Staatsbürg­ers, wie es die SPD wolle, führe dazu, dass bald Erdogan-Vertreter in jedem NRW-Stadtrat säßen. Wie soll es nach Ansicht der Kanzlerin weitergehe­n? Die zunächst eher verhaltene Reaktion aus dem Kanzleramt deutet darauf hin, dass die deutsche Regierung nun erst einmal auf weitere Signale aus Ankara wartet. Vorsorglic­h verwiesen Bundeskanz­lerin Angela Merkel und Außenminis­ter Sig-

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FOTO: DPA Mit türkischen Flaggen und lautstarke­m Jubel feierten zahlreiche Türken in Berlin das Ergebnis des Referendum­s.

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