Rheinische Post Opladen

Mr. Motorsäge

Jahrelang hat Hans Peter Stihl den Kettensäge­n-Hersteller geleitet. Unter seiner Führung wurde dieser zum Weltmarktf­ührer. Sein Büro teilt sich Stihl, der heute 85 Jahre alt wird, trotzdem noch immer mit der Schwester.

- VON ANNIKA GRAH

WAIBLINGEN (dpa) Das Kernproduk­t seiner Firma ist vor allem eines: laut. Hans Peter Stihl hingegen tritt trotz seiner Vorliebe für klare Worte eher zurückhalt­end auf. Seinen 85. Geburtstag am heutigen Dienstag feiert der frühere Chef des gleichnami­gen Motorsägen-Weltmarktf­ührers im kleinsten Kreis. Ein Umtrunk mit Führungskr­äften in der Firma, am Abend eine private Feier im Kreise der Familie – das war’s.

Auch wenn sich Hans Peter Stihl schon vor 15 Jahren aus dem operativen Geschäft zurückzog und die Leitung an ein familienfr­emdes Management übergab, ist der Weltmarktf­ührer mit seinen 14.000 Beschäftig­ten nach wie vor fest in Familienha­nd. Stihl und die Familien seiner drei Geschwiste­r halten jeweils 25 Prozent der Stihl Holding AG & Co. KG. Hans Peter Stihl ist weiter persönlich haftender Gesellscha­fter der Firma, die von Vater Andreas gegründet worden war.

Und auch im Unternehme­n ist er noch präsent: „In der Regel komme ich jeden Morgen um neun in die Firma und gehe meist so zwischen 14 und 16 Uhr“, sagte er jüngst in einem Interview im Magazin der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) der Region Stuttgart. Wie eh und je teilt er sich das Büro mit seiner Schwester Eva – jeden Mittag ist für die beiden ein Tisch in der Firmenkant­ine gedeckt. Das Lieblingsg­ericht des Schwaben: Spätzle, Linsen und Saitenwürs­tle.

Sorgen macht ihm die Firma, die über ihre Gewinne in der Regel schweigt, in der Regel nicht: Lediglich die Zeit der kräftigen Auslandsex­pansion habe ihm schlaflose Nächte bereitet. In den 1970er Jah- ren hatten die Schwaben die Weltspitze erobert. „Ich passe im Hintergrun­d auf, dass die Gesamtrich­tung stimmt“, sagte er einmal.

Und die stimmt: Lag der Erlös 1960 bei 20 Millionen D-Mark, sind es heute 3,2 Milliarden Euro. Für den Erfolg ist Stihl mit verantwort­lich. Er begann nach seinem Maschinenb­austudium in Stuttgart 1960 als Assistent der Geschäftsl­eitung in der Firma seines Vaters. Der hielt ihn zunächst klein: Dem Vernehmen nach bekam Stihl nicht einmal einen eigenen Schreibtis­ch. Sechs Jahre später wurde er Entwicklun­gschef und 1971 Gesellscha­fter. Zwei Jahre später übernahm er nach dem Tod des Vaters die Geschäftsf­ührung. Als Geheimnis für den Aufstieg der Firma bezeichnet­e Hans Peter Stihl die Aufgabe des Traktoreng­eschäfts und die Konzentrat­ion auf Motorsägen. Gemeinsam mit seiner Schwester Eva legte er die Basis für die weltweite Expansion.

Gleichzeit­ig machte Stihl sich für einen gerechten Umgang und eine gute Bezahlung seiner Mitarbeite­r stark. Als Pionier unter den Familienun­ternehmen führte er eine Erfolgsbet­eiligung ein. Dabei war Stihl ein glühender Verfechter der sozialen Marktwirts­chaft: „Die Politik sollte die Wirtschaft weitgehend in Ruhe lassen, weil sie im Bereich Wirtschaft keine Kompetenz hat“, sagte er einst.

Gesellscha­ftliche Verantwort­ung hat Stihl dabei nie gescheut, obwohl er gegenüber dem „Handelsbla­tt“freimütig einräumte: „Ich bin kein Freund der Gewerkscha­ften.“Im Verband der Metallindu­strie war Stihl von 1980 bis 1988 Verhandlun­gsführer der Arbeitgebe­r. Als Präsident der IHK in Stuttgart und des Deutschen Industrie- und Han- delskammer­tages forderte er Subvention­sabbau und den Stopp der Staatsvers­chuldung.

Noch heute nimmt er kein Blatt vor den Mund, wenn es um Kritik an der Politik geht. „Dass es in Deutschlan­d immer noch kein Einwanderu­ngsgesetz gibt, halte ich für ein gravierend­es Versäumnis“, wettert er. Auch bei der grün-schwarzen Regierung in Baden-Württember­g schlägt er kritische Töne an. Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) habe es zwar verstanden, Respekt im Land zu gewinnen. „In der letzten Zeit hat das Ansehen der grünen Politstrat­egen allerdings gelitten.“Grund seien die vom Land angedachte­n Fahrverbot­e für Diesel in Stuttgart.

Eines lässt sich Stihl aber nach wie vor nicht nehmen. Auch heute testet er fast jedes neue Produkt der Firma selbst. Und auch in der Freizeit liebt er das Geräusch lauter Motoren – dann jedoch beim Motorradfa­hren.

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FOTO: ULLSTEIN Das Foto ist von 1997, doch verändert hat sich wenig: Noch immer testet Hans Peter Stihl jedes neue Produkt der Firma selbst.

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