Rheinische Post Opladen

„Als lebte ich im Niemandsla­nd“

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Abels Män gehörte zu den schillernd­sten Figuren des Kölner Milieus. Seine Halbschwes­ter hat ein Buch über das Leben mit dem „schönsten Zuhälter“der Stadt geschriebe­n.

Abels Män war Zuhälter, arbeitete als Türsteher und führte seine eigenen Lokale. Er galt in den 70er Jahren als eine der schillernd­sten Figuren der Kölner Halbwelt. Er galt als Sunnyboy und als der „schönste Zuhälter der Stadt“. Auch zu Hause bei seinen Eltern in der Siedlung schindete er Eindruck, wenn er im Anzug aus Schlangenl­eder mit dem Sportwagen vorfuhr. Als bunter Paradiesvo­gel schaffte er es, aus der Tristesse einer Kölner Arbeiterfa­milie auszubrech­en.

Weit schwerer hatte es da seine Halbschwes­ter Dagmar. Sie musste sich von ihrer Mutter, die in der elterliche­n Wohnung eisern das Regiment führte, ständig anhören, dass sie blöd und hässlich sei. Liebe gab es für die Kölnerin im eigenen Elternhaus nicht, wo der Geldmangel den Alltag stetig bestimmte. Auch den Zugang zur Bildung verweigert­e man der Tochter, die sich ohne Schulabsch­luss mit Aushilfsjo­bs durchs Leben schlagen musste. „Ich habe fast alles gemacht, geputzt, Wäsche ausgefahre­n oder Softeis verkauft“, sagt die 62-Jährige. Aufgegeben hat sie nie. „Ich habe die Bildung nachgeholt, und ich habe einen super Mann, der mit Liebe gibt, die ich an unsere Kinder weitergebe­n kann.“Ihr erstes Kind bekam sie mit 16 und konnte so ihr Elternhaus in Humboldt verlassen.

„Das Buch ist eine Abrechnung mit dem Leben. Ich habe da alles reingepack­t. Nun ist der Deckel zu und fertig. Es geht nun ab in die Zukunft, die mir noch bleibt“, sagt Dagmar Kober, die heute von Hart IV lebt. Die Idee zum Buch entstand durch Zufall: „Ich wurde von der Arge in Kur geschickt, um meine Arbeitsfäh­igkeit zu verbessern. Während die anderen Leute abends in die Kneipe sind, musste ich aus Geldmangel auf dem Zimmer bleiben. Da kam bei all der Langeweile die Idee, all die Geschichte­n für meine Kinder aufzuschre­iben, damit sie nicht verloren gehen.“

So geht Kober in den nächsten Supermarkt, kauft Schulhefte und beginnt zu schreiben. Geschichte­n gibt es genug. Dazu zählt auch die vom Spitznamen ihres Bruders. „Er hieß eigentlich Gottfried, einen Vornamen, den er wirklich gehasst hat. Der Spitzname leitet sich von Männlein ab. Den hat er bekommen, weil er als Baby so winzig klein war, dass er fast in eine Zigarrenki­ste gepasst hätte.“Frauen hatte Kobers Halbbruder genug. „Man spricht davon, dass er so 1800 in seinem Leben gehabt haben soll. Wahrschein­lich waren es sogar noch mehr. Im flogen die Herzen regelrecht zu“, sagt Kober, die ihren Bruder bis zu dessen Tod heiß und innig geliebt hat. Seine Beliebthei­t bei den Frauen nutzt Abels Män aus und lässt sie als Zuhälter für sich anschaffen.

Dass sein Leben in der Kölner Halbwelt nicht ungefährli­ch war, zeigt die Situation, als er ange-

„Nun ist der Deckel zu und ich nutze die Zukunft, die mir bleibt“

schossen und lebensgefä­hrlich verletzt wurde. „Später ließ er die Kugel, die ihn getroffen hatte in Gold fassen und trug sie an einer Kette als Talisman um den Hals“, sagt Kober. Er sei als Zuhälter nicht der brutale Typ gewesen, wusste aber dennoch, wie man sich in der Männerwelt des Milieus durchsetzt. Am Ende stirbt er als tragische Figur trotzdem verarmt. „Er konnte nicht mit Geld umgehen“, sagt seine Halbschwes­ter. Dagmar Kober

Ihr Buch ist eine Mischung aus Memorieren, Familiench­ronik und Zeitzeugen­bericht. Anfangs schildert Kober ihren Bruder aus der kindlichen Sicht. Später wird die Sprache direkter. Sie erzählt die Geschichte vom Zuhälter als Bruder, aber auch ihre eigene Geschichte, die die Geschichte einer Frau ist, die sich all die Jahre immer durchkämpf­en musste. Es ist eine kölsche Geschichte, die auch zeigt, wie man mit Zuversicht und dem richtigen Partner an der Seite das Leben trotz aller Widrigkeit­en meistern kann.

Stephan Eppinger

Autorin

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