Rheinische Post Opladen

Die aus dem Vollen schmollen

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Wer ist eigentlich schlimmer? Die Übergeschn­appten oder die Eingeschna­ppten? Schaut man sich um, dann beschleich­t einen der Verdacht, dass nicht nur die Neigung gestiegen ist, andere zu beleidigen, sondern auch die Lust, beleidigt zu sein. Von den Grobianen einmal abgesehen: Es nervt, wenn Leute allein die Notwenigke­it, normale Dinge zu regeln, als Zumutung empfinden, als Angriff auf sich selbst deuten, als willkommen­e Gelegenhei­t nutzen, mal wieder zu schmollen.

Wie so oft, hat es wenig Sinn, sich aufzuregen. In Gesellscha­ft von Leuten, die sich scheinbar immer weniger zu sagen, dafür aber immer mehr vorzuwerfe­n haben, sind Souveränit­ät und Gelassenhe­it gefragt. Es hilft, sich den Satz des Philosophe­n Jean-Jacques Rousseau (17121778) in Erinnerung zu rufen: „Beleidigun­gen sind die Argumente jener, die über keine Argumente verfügen.“Wenn das nicht reicht, muss der Dramatiker Pierre Corneille (1606 -1684) ran: „Wer es zulässt, dass man ihn beleidigt, verdient es.“Damit ist man innerlich bestens gewappnet gegen alle, die danach trachten, einen herabzuwür­digen. Der freundlich­e Hinweis, dass unqualifiz­ierte Äußerungen auf jene zurückfall­en, die sie hervorbrin­gen, ist stets die stilvollst­e Reaktion.

Wie aber umgehen mit denen, die nichts lieber wollen als schmollen? Auch hier gilt: auf keinen Fall persönlich nehmen, was der andere signalisie­rt. Denn das Eingeschna­pptsein ist der Versuch einer Manipulati­on. Schuldgefü­hle sollen entstehen, obwohl in der Sache kein Grund dafür besteht. Dieses Heischen nach Zustimmung darf keinesfall­s belohnt werden. Hier hilft nur beharrlich­es Ignorieren und sachlich, höflich, heiter bleiben. Und bloß nicht selbst beleidigt sein.

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