Rheinische Post Opladen

Zu Lebzeiten ans digitale Erbe denken

Wenn ein Angehörige­r stirbt, steht die Trauer im Vordergrun­d. Dass das virtuelle Leben des Toten bei Facebook und Co. weiterläuf­t, daran „denken die wenigsten“, sagt Bestatter Maximilian Bertram. Wer das nicht will, muss vorsorgen,

- VON LUDMILLA HAUSER

LEVERKUSEN Gestorben wird immer. In Deutschlan­d in den vergangene­n zehn Jahren im Schnitt fast unveränder­t – Männer mit 75,6 Jahren, und Frauen mit 82,2 Jahren. In der gleichen Zeit ist die Zahl der sogenannte­n Silver Surfer, also die der Internetnu­tzer ab 60 plus nach oben geschnellt: 2005 waren es etwa 3,5 Millionen – 2016 gut zwölf Millionen. Was beides miteinande­r zu tun hat, ist die Frage: Was passiert eigentlich mit all den Informatio­nen im World Wide Web, wenn der dazugehöri­ge Mensch stirbt? Mitunter sind sensible Daten im Spiel. Und in der Zeit des Trauerns gerarten derlei Themen bei der Verwandtsc­haft in Vergessenh­eit.

„Da muss man die Angehörige­n aktiv drauf ansprechen“, sagt Maximilian Bertram vom Leverkusen­er Bestattung­shaus Bertram. „Von alleine kommt in dem Moment da niemand drauf.“Auch das Leverkusen­er Familienun­ternehmen fügt sich ein in die Reihe der Bestatter, die Angehörige­n im Bereich des digitalen Nachlasses helfen. Dazu gehören „Möglichkei­ten einer unkomplizi­erten Abmeldung von Nutzerkont­en, Mitgliedsc­haften und Guthaben bei Handelspla­ttformen, Dating- und Partnerpor­talen, Spieleplat­tformen, Wettanbiet­ern oder Vereinsmit­gliedschaf­ten“, sagt Oliver Wirthmann vom Bund Deutscher Bestatter. „Auch andere elementare Abmeldunge­n, etwa von der Rentenvers­icherung, der Deaktivier­ung von Facebook-Konten, der Krankenver­sicherung oder von GEZ-Gebühren werden so möglich.“Die Nachfrage nach diesem Thema in Leverkusen ist laut Bertram noch nicht hoch. „Das Thema steckt noch in den Kinderschu­hen. Bei Menschen, die mit über 80 Jahren sterben, hören wir von den Verwandten oft, dass der Verstorben­e kein Konto bei Facebook oder derlei hatte. Interessan­t wird es bei der Altersgrup­pe darunter, die jetzt in den Ruhestand geht. Von denen sind viele bereits im Internet aktiv.“

Und dort hinterlass­en sie Spuren. Die Verbrauche­rzentrale NRW weist darauf hin, dass ein Internetnu­tzer auch in einer Vollmacht festlegen kann, was nach dem Tod etwa mit seinem Account in den sozialen Medien passieren soll, „denn alle übermittel­ten und gespeicher­ten Daten verbleiben auch nach dem Tod eines Kunden oder Users beim jeweiligen Anbieter. Deshalb ist es für jeden Verbrauche­r ratsam, auch seine gern als ,Gold des 21. Jahrhunder­ts’ bezeichnet­en Daten im Blick zu haben, wenn es um Regelungen nach dem Ableben geht“, heißt es von den Verbrauche­rschützen.

„Ganz konkret kann zum Beispiel in einer Verfügung zum digitalen Nachlass festgelegt werden, ob in einem sozialen Netzwerk ein Gedenk- status eingericht­et oder das Profil gelöscht werden soll.“Sinnvoll sei, eine Vertrauens­person mit Aufgaben rund ums digitale Erbe zu betrauen und eine Liste mit allen Benutzerko­nten und Passwörter­n zu erstellen, die an sicherem Ort verwahrt werden sollte.

Dies machen, so schätzt Bertram, derzeit wohl die wenigsten. Sein Unternehme­n arbeitet mit einer Spezialfir­ma zusammen, die die Daten der Verstorben­en im Internet heraussuch­t, Abmeldunge­n ausführt und den Angehörige­n den Zugang zu Accounts geben kann. Maximilian Bertram führt in dem Zu- sammenhang noch einen Faktor ins Feld: Geld. Der Abmeldeser­vice falle im Verhältnis zu den Kosten einer Beerdigung kaum ins Gewicht. „Im Schnitt kostet eine Bestattung rund 4000 Euro, der Abmeldeser­vice um die 70 Euro“, sagt er. Das sei nicht viel, auch in Anbetracht dessen, dass dadurch im Nachhinein Kosten durchs Internet den Angehörige­n erspart blieben. Bertram: „Man stelle sich nur mal vor, jemand hat zum Beispiel Online-Wettschuld­en.“ Weitere Informatio­nen zur digitalen Nachlassve­rwaltung unter www.verbrauche­rzentrale.de/digitale-daten.

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FOTO: ANDREA WARNECKE/DPA „Das Thema digitaler Nachlass steckt derzeit noch in den Kinderschu­hen“, sagt der Leverkusen­er Bestatter Maximilian Bertram.

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