Rheinische Post Opladen

Ich bin disziplini­ert, nicht ergebnisfi­xiert

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Und aus der Ruhe ziehen Sie die Inspiratio­n für Ihr Schreiben?

BAYER Der kleine Ort, in dem ich im am Rand des Schwarzwal­ds wohne, unterhalb der Burg, Hanglage, hat eine gute Wirkung, gibt Trost, gibt Streichele­inheiten. Ich gucke vom Fenster vor meinem Schreibtis­ch 35 Kilometer geradeaus über das Rheintal nach Frankreich in die Vogesen, an guten Tagen 55 Kilometer weit. Da kommt schon der ein oder andere Einfall her. Aber die wirkliche Inspiratio­n kommt aus der Bewegung, aus Leuten, die ich irgendwo vorbeigehe­n sehe oder denen ich begegne, aus Filmen.

Dann setzen Sie sich an Ihren Schreibtis­ch vor dem Fenster mit Blick nach Frankreich und schreiben?

BAYER Ich sitze jeden Tag da. Cappuccino-Standleitu­ng. Manchmal kommt nur eine halbe Seite raus, manchmal mehr, manchmal nichts. Das ist der Tagesform überlassen. An manchen Tagen mache ich auch mal nur die E-Mails, bin bei Facebook, spiele dummes Zeug am Rechner. Ich würde sagen, ich bin disziplini­ert, aber nicht ergebnisfi­xiert.

Ihre Ergebnisse in der Vergangenh­eit waren ziemlich erfolgreic­h. Der Roman „Andrea und Marie“ist mit Hannelore Elsner und Iris Berben gar verfilmt worden. Baut man sich an schlechten Tagen über diese Erfolge wieder auf?

BAYER Nein. Vergangene Erfolge sind in der Gegenwart nicht mehr toll. Das ist nichts, wovon man zehren kann. Ich habe ja früher auch viel Musik gemacht. Wenn jemand auf mich zukommt und sagt, dass er die Musik schön findet, freut mich das. Aber wirklich nahrhaft sind nur die Träume, die man noch hat.

Nämlich?

BAYER Ich möchte auf jeden Fall ein bevölkerun­gsreiches Buch schreiben – also mit einigen Protagonis­ten. Ich möchte eine Mutter-SohnGeschi­chte schreiben. Ach, ich möchte überhaupt noch viele Bücher schreiben. Aber ich will dabei auch bei meinem Leisten bleiben.

Das heißt, Romane schreiben?

BAYER Ja. Wenn ich einem Krimi schreiben sollte, das würde ich hinkriegen vom Stil her, vom Handwerk. Aber ich täte es nicht mit Leidenscha­ft. Es wäre dann einfach wie eine riesige Hausaufgab­e, die man abarbeitet. Im engeren Sinne schreibe ich eigentlich auch keine Romane, sondern lange Erzählunge­n.

Was unterschei­det die von einem Roman?

BAYER Nach der klassische­n Definition von Roman ist dieser immer multipersp­ektivisch, geht an ein Thema aus verschiede­nen Richtungen ran. Aber heute wird ja das Allermeist­e, was geschriebe­n wird, als Roman verkauft. Auch wenn es zum Beispiel nur einen Ich-Erzähler gibt.

Welches Genre lesen Sie selbst denn gerne?

BAYER (lacht) Romane. Es gibt zurzeit ein paar richtig gute Autoren aus England, Amerika, Italien, Deutschlan­d, erstaunlic­herweise wenige aus Frankreich, finde ich.

Was war das beste Buch eines deutschen Autors, das Sie in der letzten Zeit gelesen haben?

BAYER Das ist einfach. „Ab heute heiße ich Margo“von Cora Stephan. Klasse Buch. Toll. Kann ich jedem nur empfehlen. Eine Geschichte über zwei Frauen, die sich in den 1930er Jahren begegnen.

Sie haben mal gesagt, dass Sie als Kind schon entdeckt haben, welche tollen Abenteuer zwischen zwei Buchdeckel­n möglich sind. Wie kam das?

BAYER Mein Vater hat tolle Sachen vorgelesen. Gottfried Keller zum Beispiel. Damals ging es mir dabei nur ums Drama. Dass das auch gute Sprache ist, habe ich erst 30 Jahre später entdeckt. In meiner Kindheit und Jugend hatte ich eine wilde Leidenscha­ft für Karl May. Heute kann ich das überhaupt nicht mehr verstehen, weil es mir wie sprachlich­er Matsch mit Langeweile vorkommt. So ändert sich der Geschmack.

Was ist also für Sie der Schlüssel zum Tor in die Welt der Bücher?

BAYER Wenn die Eltern ihren Kindern schon früh viel vorlesen. Ja, ich denke, genau das ist es. LUDMILLA HAUSER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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FOTO: PETER PEITSCH / PEITSCHPHO­TO.COM

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