Rheinische Post Opladen

Abschiebe-Panne: neuer Fall und Streit um Schuld

- VON BERND BUSSANG UND MARKUS WERNING

LEVERKUSEN Der Leverkusen­er Fall eines festgenomm­enen und zur Abschiebun­g bestimmten Asylbewerb­ers, der frei gelassen werden muss, weil Abschiebeh­aftplätze fehlen, schlägt hohe Wellen. Nun ist ein zweiter Fall aus NRW bekannt geworden. Nach Recherchen der Thüringisc­hen Landeszeit­ung soll es sich um einen Vorgang aus Gütersloh handeln. Das geht aus Verwaltung­squellen hervor, teilweise aus einem E-Mail-Verkehr, der auch unserer Redaktion vorliegt. „Ich bekomme ihn nicht Abschiebeh­aft, da ich in der gesamten Bundesrepu­blik nicht einen freien Haftplatz mehr bekommen kann ... es ist zum Verzweifel­n“, schreibt eine Mitarbeite- rin der Güterslohe­r Ausländerb­ehörde. Eine offizielle Bestätigun­g gab es gestern nicht. Die Stadtverwa­ltung Gütersloh war für eine Stellungna­hme nicht erreichbar.

Anfang April war in einer Asylunterk­unft an der Sandstraße bei Ermittlung­en in anderer Sache ein junger Mann festgenomm­en worden (wir berichtete­n). Bei dem abgelehnte­n Asylbewerb­er aus Albanien, soll es sich entgegen anderslaut­ender Informatio­nen nicht um einen Sexualstra­ftäter handeln, stellte gestern eine Pressespre­cherin der Stadt Leverkusen klar. Laut Landratsam­t Gotha ist der Mann aber ein Mehrfachtä­ter, der wegen „verschiede­ner Delikte, u. a. Eigentumsd­elikte, aktenkundi­g geworden war“. In dem Leverkusen­er Fall war es den zuständige­n Behörden nicht gelungen, den Mann festzusetz­en, da Abschiebeh­aftplätze nicht verfügbar waren.

Ein Sprecher des Landratsam­ts Gotha bestätigte nun einen weiteren Fall. Dabei soll es sich um einen verurteilt­en Sexualstra­ftäter handeln. Der hatte wegen eines Sexualdeli­ktes eine Haftstrafe im thüringisc­hen Tonna verbüßt, war danach abgeschobe­n worden und wieder illegal eingereist. Der Mann – ein „Ausländer aus dem EU-Raum“, der kein Asyl beantragt hatte – sei von der Polizei in NRW aufgegriff­en worden, doch habe es für ihn keinen Haftplatz gegeben. Er wurde offenbar wieder freigelass­en. Nach Informatio­nen der Thüringisc­hen Landeszeit­ung handelt es sich um den Güterslohe­r Fall. Wo sich die beiden offenbar freigelass­enen Män- ner derzeit befinden, konnten die von uns befragten Behörden auch gestern nicht sagen. Das NRW-Innenminis­terium hatte im Zusammenha­ng mit dem Leverkusen­er Fall bereits auf das Problem fehlender Haftplätze hingewiese­n, das sich dadurch verschärfe, dass andere Bundesländ­er selbst keine Abschiebeh­aftplätze vorhalten und NRW Häftlinge aus anderen Ländern aufnehme. Das Land betreibt eine zentrale Unterbring­ungsstatio­n in Büren bei Paderborn. Sie soll jetzt ausgebaut werden.

Unterdesse­n streiten sich die Behörden in Leverkusen und Thüringen darüber, wer die Freilassun­g des Abschiebeh­äftlings zu verantwort­en hat. Nach Darstellun­g des NRWInnenmi­nisteriums war Thüringen dafür zuständig, dass der festge- nommene Asylbewerb­er in Abschiebeh­aft kommt. Auch die Stadtverwa­ltung Leverkusen betont, dass die Thüringer Behörden bei dem Verfahren federführe­nd waren. „Ein offizielle­s Amtshilfee­rsuchen der Ausländerb­ehörde Gotha an die Ausländerb­ehörde Leverkusen zur Vorführung des Betroffene­n bei einem Haftrichte­r wurde zu keinem Zeitpunkt gestellt“, heißt es in einer Pressemitt­eilung der Stadt. „Die betreffend­e Person wurde auf Anweisung der Stadt Gotha aus dem Polizeigew­ahrsam entlassen.“Thüringen wies den Vorwurf zurück. Es sei „bundesweit gängige Praxis“, dass ausreisepf­lichtige Personen durch ein anderes Bundesland abgeschobe­n werden, wenn sie dort aufgegriff­en wurden, teilte das Thüringer Landesverw­altungsamt mit.

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