Abschiebe-Panne: neuer Fall und Streit um Schuld
LEVERKUSEN Der Leverkusener Fall eines festgenommenen und zur Abschiebung bestimmten Asylbewerbers, der frei gelassen werden muss, weil Abschiebehaftplätze fehlen, schlägt hohe Wellen. Nun ist ein zweiter Fall aus NRW bekannt geworden. Nach Recherchen der Thüringischen Landeszeitung soll es sich um einen Vorgang aus Gütersloh handeln. Das geht aus Verwaltungsquellen hervor, teilweise aus einem E-Mail-Verkehr, der auch unserer Redaktion vorliegt. „Ich bekomme ihn nicht Abschiebehaft, da ich in der gesamten Bundesrepublik nicht einen freien Haftplatz mehr bekommen kann ... es ist zum Verzweifeln“, schreibt eine Mitarbeite- rin der Gütersloher Ausländerbehörde. Eine offizielle Bestätigung gab es gestern nicht. Die Stadtverwaltung Gütersloh war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Anfang April war in einer Asylunterkunft an der Sandstraße bei Ermittlungen in anderer Sache ein junger Mann festgenommen worden (wir berichteten). Bei dem abgelehnten Asylbewerber aus Albanien, soll es sich entgegen anderslautender Informationen nicht um einen Sexualstraftäter handeln, stellte gestern eine Pressesprecherin der Stadt Leverkusen klar. Laut Landratsamt Gotha ist der Mann aber ein Mehrfachtäter, der wegen „verschiedener Delikte, u. a. Eigentumsdelikte, aktenkundig geworden war“. In dem Leverkusener Fall war es den zuständigen Behörden nicht gelungen, den Mann festzusetzen, da Abschiebehaftplätze nicht verfügbar waren.
Ein Sprecher des Landratsamts Gotha bestätigte nun einen weiteren Fall. Dabei soll es sich um einen verurteilten Sexualstraftäter handeln. Der hatte wegen eines Sexualdeliktes eine Haftstrafe im thüringischen Tonna verbüßt, war danach abgeschoben worden und wieder illegal eingereist. Der Mann – ein „Ausländer aus dem EU-Raum“, der kein Asyl beantragt hatte – sei von der Polizei in NRW aufgegriffen worden, doch habe es für ihn keinen Haftplatz gegeben. Er wurde offenbar wieder freigelassen. Nach Informationen der Thüringischen Landeszeitung handelt es sich um den Gütersloher Fall. Wo sich die beiden offenbar freigelassenen Män- ner derzeit befinden, konnten die von uns befragten Behörden auch gestern nicht sagen. Das NRW-Innenministerium hatte im Zusammenhang mit dem Leverkusener Fall bereits auf das Problem fehlender Haftplätze hingewiesen, das sich dadurch verschärfe, dass andere Bundesländer selbst keine Abschiebehaftplätze vorhalten und NRW Häftlinge aus anderen Ländern aufnehme. Das Land betreibt eine zentrale Unterbringungsstation in Büren bei Paderborn. Sie soll jetzt ausgebaut werden.
Unterdessen streiten sich die Behörden in Leverkusen und Thüringen darüber, wer die Freilassung des Abschiebehäftlings zu verantworten hat. Nach Darstellung des NRWInnenministeriums war Thüringen dafür zuständig, dass der festge- nommene Asylbewerber in Abschiebehaft kommt. Auch die Stadtverwaltung Leverkusen betont, dass die Thüringer Behörden bei dem Verfahren federführend waren. „Ein offizielles Amtshilfeersuchen der Ausländerbehörde Gotha an die Ausländerbehörde Leverkusen zur Vorführung des Betroffenen bei einem Haftrichter wurde zu keinem Zeitpunkt gestellt“, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt. „Die betreffende Person wurde auf Anweisung der Stadt Gotha aus dem Polizeigewahrsam entlassen.“Thüringen wies den Vorwurf zurück. Es sei „bundesweit gängige Praxis“, dass ausreisepflichtige Personen durch ein anderes Bundesland abgeschoben werden, wenn sie dort aufgegriffen wurden, teilte das Thüringer Landesverwaltungsamt mit.