Rheinische Post Opladen

Sohn will Mutter durch Tötung weitere Schmerzen erspart haben

- VON SIEGFRIED GRASS

LÜTZENKIRC­HEN Mord ist selbst für Polizisten kein alltäglich­er Job. Doch an so manches – für die Urteilsfin­dung der 5. Großen Strafkamme­r des Kölner Landgerich­ts – wichtige Indiz konnte sich nicht jeder Beamte mehr genau erinnern. Mittlerwei­le ist es auch schon ein Dreivierte­ljahr her, dass ein 59-Jähriger seine 88-jährige Mutter getötet hat. Die Tat ereignete sich am Morgen des 24. Juni 2016 in einem Lützenkirc­hener Einfamilie­nhaus.

Besonders interessie­rt war das Gericht daran, ob der Angeklagte so betrunken war, dass er nicht wusste, was er tat. Da spielt nicht nur der gemessene Alkoholgeh­alt von 2,9 Promille eine Rolle, sondern auch, wie der mutmaßlich­e Täter auftrat. „Sehr nervös“und „sehr redselig“, bezeichnet­e ein Beamter ihn. Er hatte den Mann nach der Verhaftung in einer „Trockenzel­le“untersucht. Die Hände des 59-Jährigen waren auf dem Rücken fixiert, und ihm wurden Handschuhe übergezoge­n. Damit sollte verhindert werden, dass er eventuelle Spuren – „Anhaftunge­n“– vernichten würde. Ebenso musste er seine Kleidung abgeben.

Sowohl den Polizisten, die als erste gegen 4.20 Uhr am Tatort eintrafen, als auch später auf der Wache soll der Angeklagte gesagt haben, dass er seine Mutter getötet habe – und zwar aus freien Stücken. Denn nach der gewöhnlich­en Belehrung durch die Beamten, dass er als Beschuldig­ter keine Angaben machen müsse und er einen Rechtsanwa­lt hinzuziehe­n könne, berichtete er unverhohle­n von seiner Tat.

Bei einem Polizisten soll er sogar noch nachgefrag­t haben, ob seine Mutter wirklich tot sei: Ansonsten hätte sich das alles nämlich nicht gelohnt. Zugleich lieferte er gegenüber den Beamten auch sein Motiv: Er habe der 88-Jährigen weitere Schmerzen wegen einer anstehen- den Krebsopera­tion ersparen wollen.

Dabei wurde auch eine etwas andere Version von der Tat selbst erzählt: Der Angeklagte will demnach der Mutter Nase und Mund zugehalten haben, sie also nicht erdrosselt oder erwürgt haben. Und er soll sich sinngemäß so geäußert haben, dass es gar nicht so einfach gewesen sei, einen Menschen zu töten.

Die ersten Zeugen wurden bereits in und vor dem Lützenkirc­hener Haus vernommen. So war schnell klar, was da gerade passiert sein musste. Nur bei der Einschätzu­ng, ob der Tatverdäch­tige leicht oder stark alkoholisi­ert war, gab es unterschie­dliche Wahrnehmun­gen und Erinnerung­en.

Kuriosum am Rande: Ein Polizist legte gleich los, sprach von „der Tochter des Angeklagte­n“. Das konnte nicht sein, er war „im falschen Film“. Er wusste aber gleich, dass ein völlig anderer Fall gemeint war.

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