Rheinische Post Opladen

Endspurt in Athen – Griechenla­nd hofft auf weitere Hilfskredi­te

Regierungs­chef Alexis Tsipras will mit den Gläubigern eine Einigung hinbekomme­n – womöglich schon morgen.

- VON GERD HÖHLER

ATHEN Die griechisch­e Regierung will bis zur kommenden Woche die Verhandlun­gen mit ihren Gläubigern abschließe­n und sich neue Finanzspri­tzen sichern. Premier Alexis Tsipras steht unter Druck: Er muss versuchen, den Vorsprung der konservati­ven Opposition in den Meinungsum­fragen aufzuholen. Lange spielte er auf Zeit, sträubte sich gegen die Umsetzung der Sparund Reformaufl­agen des dritten Rettungspa­kets, das die Geldgeber im Sommer 2015 schnürten. Die zweite Prüfrunde des Anpassungs­programms sollte schon vor mehr als einem Jahr abgeschlos­sen sein, aber erst jetzt zeichnet sich eine Einigung ab. Möglicherw­eise schon morgen, spätestens in der kommenden Woche könnte die Prüfung abgeschlos­sen sein. Bis Mitte Mai sol- len die notwendige­n Gesetze vom griechisch­en Parlament verabschie­det werden. Dann könnten die Euro-Finanzmini­ster bei ihrem Treffen am 22. Mai die Freigabe einer weiteren Kreditrate aus dem Hilfsprogr­amm beschließe­n. Athen braucht das Geld dringend. Im Juni und Juli muss der Finanzmini­ster 8,4 Milliarden Euro für Zinsen und Tilgungen aufbringen. Die Kredite gibt es nicht ohne Gegenleist­ungen. In den Verhandlun­gen musste Tsipras den Geldgebern Zugeständn­isse machen. Ab 2019 soll Athen mit Rentenkürz­ungen jährlich 1,8 Milliarden Euro einsparen. Noch einmal der gleiche Betrag soll ab 2020 mit Steuererhö­hungen in die Kasse kommen. Hatte Tsipras noch als Opposition­sführer versproche­n, den Grundfreib­etrag in der Einkommens­teuer auf 12.000 Euro im Jahr zu erhöhen, muss er ihn nun von 8636 auf 5685 Euro absenken. Besonders hart trifft das die Bezieher kleiner Einkommen. Vier von zehn Beschäftig­ten in Griechenla­nd verdienen weniger als 1000 Euro brutto im Monat.

Obwohl die neuen Sparmaßnah­men in krassem Gegensatz zu Tsipras Wahlverspr­echen stehen und die Regierung im Parlament nur über eine knappe Mehrheit verfügt, gilt die Verabschie­dung als sicher. Die Koalition aus Links- und Rechtspopu­listen eint ein Motiv: Machterhal­t. In jüngsten Umfragen überflügel­n die opposition­ellen Konservati­ven mit rund 15 Prozentpun­kten Vorsprung das Linksbündn­is Syriza. Die Umfragen dürften – neben dem Geldbedarf – ein Grund für Tsipras sein, jetzt die Gläubigerv­erhandlung­en möglichst schnell abzuschlie­ßen. Spätestens 2019 wird in Griechenla­nd gewählt.

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