Rheinische Post Opladen

NRW soll Schleierfa­hndung zulassen

Innenminis­ter de Maizière hält die Ablehnung verdachtsu­nabhängige­r Kontrollen im grenznahen Raum für inakzeptab­el. Auch die EU-Kommission rät NRW, dieses Instrument wirksamer zu nutzen.

- VON GREGOR MAYNTZ UND THOMAS REISENER

BERLIN Der Bund erhöht den Druck auf die nordrhein-westfälisc­he Landesregi­erung, ihren Widerstand gegen die Schleierfa­hndung aufzugeben. „Es darf nicht sein, dass ein Bundesland mit Außengrenz­en keine Schleierfa­hndung im Grenzraum erlaubt“, sagte Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) unserer Redaktion. „Das geht nicht, dass ein Land sich bei so zentralen Themen einfach ausklinkt.“

Außer NRW hat sich bislang nur Bremen geweigert, verdachtsu­nabhängige Kontrollen zu erlauben. Erst im Januar lehnten SPD, Grüne, FDP und Piraten einen CDU-Antrag auf Einführung der Schleierfa­hndung ab. Landesinne­nminister Ralf Jäger (SPD) verwies auf einen unverhältn­ismäßigen Eingriff in die Grundrecht­e. De Maizière betonte nun: „Die Schleierfa­hndung ist als Ausgleich zu den wegfallend­en Grenzkontr­ollen eingeführt worden.“Sie sei nach Überzeugun­g der großen Mehrheit der Bundesländ­er auch sehr wirksam an Stellen, an denen typischerw­eise Rechtsvers­tö- ße aufgedeckt würden. „Ich kann nicht verstehen, wenn behauptet wird, jeder Blitzmarat­hon sei erfolgreic­h, Schleierfa­hndung aber nicht“, sagte de Maizière.

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlich­keit hat inzwischen auch die EU-Kommission mehreren EUMitglied­staaten indirekt die Schleierfa­hndung empfohlen. Ausdrückli­ch genannt ist Deutschlan­d. Die Kommission rät in einer Mitteilung vom 2. Mai unter der Überschrif­t „Zurück zu Schengen“zur „schrittwei­sen Aufhebung der vorübergeh­enden Grenzkontr­ollen in den kommenden sechs Monaten“. Flankieren­d schlägt die Kommission vor, „verhältnis­mäßige Polizeikon­trollen, auch in Grenzgebie­ten, wirksamer zu nutzen“. Sie seien „unter Umständen wirksamer als die Kontrollen an den Binnengren­zen, da sie flexibler eingesetzt werden können und sich leichter an neue Risiken anpassen lassen“.

Konkreter wird der englischsp­rachige Entwurf für eine Empfehlung der Kommission, der unserer Redaktion vorliegt. Das Dokument mit der Nummer „C(2017) 2023“formuliert weitere Empfehlung­en für Poli- zeikontrol­len im Schengen-Gebiet. Unter Punkt neun ist dort ausdrückli­ch von „identity checks even without concrete suspicion“die Rede, also von Identitäts­überprüfun­gen ohne konkreten Verdacht. Der Entwurf akzeptiert solche Maßnahmen, formuliert aber als Auflage, dass sie faktisch nicht wie Grenzkontr­ollen wirken dürfen. Wann das Papier verabschie­det wird, konnte die Kommission gestern auf Nach- frage nicht sagen. In Kreisen der Kommission hieß es aber, mit größeren Einwänden sei bei diesem Punkt nicht zu rechnen.

CDU-Spitzenkan­didat Armin Laschet wies darauf hin, dass die kriminelle Gefahr in NRW vor allem von mobilen Banden und Tätern ausgehe. Diese Personen seien Ziel der Schleierfa­hndung. Mit ihrer Blockade mache es Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft „den Kriminelle­n in unserem Land zu einfach“. Um NRW sicherer zu machen, müssten alle geeigneten Maßnahmen eingesetzt werden.

Die Deutsche Polizeigew­erkschaft verweist auf Erfolge der Schleierfa­hndung in Bayern. Dort seien allein im Jahr 2014 rund 3400 Rauschgift-Straftaten und 500 Eigentums- und Vermögensd­elikte durch die Schleierfa­hndung aufgedeckt worden. Gerade in NRW sei die Einbruchsk­riminalitä­t durch einen „stark gestiegene­n Anteil nichtdeuts­cher Tatverdäch­tiger mit Wohnsitz im Ausland“geprägt. Diese reisten ein, begingen Delikte und reisten anschließe­nd wieder aus. Leitartike­l Politik

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