Rheinische Post Opladen

Was kann Habeck, das Remmel nicht kann?

Im Norden zeigt Umweltmini­ster Habeck, wie die Öko-Partei erfolgreic­h sein kann. Sein NRW-Amtskolleg­e Remmel hat weniger Fortüne.

- VON BIRGIT MARSCHALL UND THOMAS REISENER

DÜSSELDORF/KIEL Der Jüngere ist ein Menschenfä­nger, der Ältere überzeugt vor allem das Fachpublik­um. Der eine kann mit seiner offenen, unkomplizi­erten und charmanten Art breite Bevölkerun­gsschichte­n von Dingen wie der ökologisch­en Landwirtsc­haft begeistern, vor allem Frauen. Der andere ist mehr nach innen gekehrt, er doziert gerne über Klimaschut­z und Jagdgesetz­e, er war früher mal Lehrer, und oft hadert er mit dem Koalitions­partner oder dem politische­n Gegner. Der eine stieß erst spät in seinem Leben zu den Grünen, vorher schrieb er Kinderbüch­er und wurde Vater. Der andere wurde Grünen-Mitglied schon 1983, kurz nach ihrer Gründung.

Die Rede ist von Robert Habeck, 43, der am vergangene­n Sonntag in Schleswig-Holstein fast 13 Prozent für die Grünen eingefahre­n hat. Und von Johannes Remmel, 54, der in Nordrhein-Westfalen zittern muss, dass die Grünen am nächsten Sonntag überhaupt wieder die Fünf-Prozent-Hürde schaffen.

Beide sind Umwelt- und Landwirtsc­haftsminis­ter in ihren Bundesländ­ern. Sie machen keine so unterschie­dliche Politik, beide treibt die ökologisch­e Frage an. Beide wollen den Planeten retten, bevor wahr wird, was der Physiker Stephen Hawking prophezeit, dass nämlich die Menschheit nur noch 100 Jahre auf der Erde wird leben können, wenn sie so weitermach­t. Nur hat der eine viel Erfolg damit, der andere derzeit weniger.

Auf der Suche nach den Gründen dafür findet man Persönlich­keitsunter­schiede, aber auch unterschie­dliche Einstellun­gen. Habeck hat sich für den Wahlkampf in Schleswig-Holstein vorgenomme­n, die Probleme anzupacken, statt zu lamentiere­n. Wie in NRW sind viele Leute auch in Schleswig-Holstein sauer über die vielen Windräder, die überall aufgestell­t werden. Doch Habeck erklärt den Menschen, warum andere Energieque­llen eine noch schlechter­e Alternativ­e wären. Remmel wird oft vorgeworfe­n, über die Menschen hinweg zu regieren.

In Schleswig-Holstein tritt Habeck konsequent für eine ökologisch­ere Landwirtsc­haft ein, viele Bauern trieb das auf die Barrika- den. Doch der Minister für „alles, was draußen ist“(O-Ton Habeck), tingelte unermüdlic­h von Bauernfest zu Bauernfest, um seine Landwirte von der Öko-Produktion zu überzeugen. Habeck setzt nicht auf einen Anti-Kurs, sondern auf das Umweltbewu­sstsein seiner Bauern. Im persönlich­en Kontakt baute er eine Gesprächse­bene zu den Bauern auf.

Das ist Remmel kaum gelungen. Für viele Landwirte in NRW ist er im Gegenteil ein rotes Tuch. Sie fühlen sich von seinen zahlreiche­n Verordnung­en und Gesetzen gegängelt. Vor allem die konvention­elle Landwirtsc­haft, die Remmel als regulierun­gsbedürfti­ge Ursache für Nitrate im Grundwasse­r, quälende Massentier­haltung und die Verbreitun­g antibiotik­aresistent­er Keime sieht.

Dass sich gerade aus einer über Generation­en hinweg vererbten Landwirtsc­haft auch eine besondere Verantwort­ung für die Äcker und Tiere ergibt, ist nicht Remmels Sicht auf die Welt. Er misstraut den Menschen und setzt auf Regulierun­g, auch auf Eigentumsb­eschränkun­gen – zuletzt beim Landesnatu­rschutz- und beim Jagdgesetz. Der Zusammensc­hluss von 17 Verbänden mit zusammen 600.000 Mitglieder­n zu einem „Aktionsbün­dnis ländlicher Raum“ist eine Selbsthilf­eorganisat­ion gegen Remmels Umweltpoli­tik, die sie als Überreguli­erung empfinden.

Habecks „Küsten-Koalition“aus SPD, Grünen und SSW hat gut und harmonisch zusammenge­arbeitet. In NRW setzen SPD und Grüne sich nach sieben Jahren gemeinsame­r Regierung inzwischen nach Kräften voneinande­r ab. Remmel will früher aus der Braunkohle aussteigen als NRW-Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft (SPD), seine Partei fordert von Innenminis­ter Ralf Jäger (SPD) erfolglos einen Abschiebes­topp nach Afghanista­n, die Grünen wollen mehr Bürgerbete­iligung bei großen Infrastruk­turprojekt­en. Währenddes­sen warnt die SPD vor einer „durchgrünt­en Gesellscha­ft“, die eine wesentlich­e Ursache für Verzö- gerungen bei wichtigen Bauprojekt­en sei.

Weil es kaum noch ein relevantes Politikfel­d gibt, auf dem SPD und Grüne sich nicht schon zerstritte­n haben, kann man zugespitzt sagen: In NRW stehen Remmel und seine Grünen für die Krise der rot-grünen Regierungs­tradition in Deutschlan­d. Habeck hingegen könnte schon bald wie der Mitbegründ­er einer neuen grünen Regierungs­tradition dastehen: Er versucht gerade ein schwarz-gelb-grünes Regierungs­bündnis zu schmieden, das es auf Landeseben­e bislang nur kurz im Saarland gab. Auch deshalb wirkt Habeck moderner. In Berlin hoffen die Grünen intern sogar auf einen Habeck-Effekt. Nach einem Remmel-Effekt hat noch niemand gerufen.

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FOTOS: DPA Robert Habeck (l.) hat mit den Grünen in Schleswig-Holstein fast 13 Prozent eingefahre­n. Johannes Remmel könnte am Sonntag in NRW an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.
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