Rheinische Post Opladen

Er oder sie? Es muss schlicht besser werden!

- VON MICHAEL BRÖCKER

ZDum 70. Geburtstag musste sich unser Bundesland reichlich Spott aus der Kabarett-Szene anhören. Von „Nordrhein-Katastroph­alen“war vergangene­s Jahr die Rede oder von „Nordrhein-Versagen“. Die angesehene „Neue Zürcher Zeitung“verglich die Zustände an Rhein und Ruhr mit denen eines Entwicklun­gslands. Wie bitte? NRW? Das stolze Bundesland mit einer höheren Wirtschaft­sleistung als Schweden oder Argentinie­n?

Natürlich: Kabarettis­ten, Medien, auch die Opposition spitzen zu. Aber nur wo eine Wunde ist, kann auch der Finger hineingele­gt werden. Das Land hält Rekorde bei Staus, Insolvenze­n, maroden Brücken, Staatsschu­lden, Jugendlich­en ohne Ausbildung. Das Land war weltweit in den Schlagzeil­en, weil Sicherheit­sleute in einem Flüchtling­sheim übergriffi­g wurden und aggressive Männer in Köln Frauen begrapscht­en und missbrauch­ten. Das Land der Einbrecher. Hochburg der Salafisten. Unterdurch­schnittlic­hes Wirtschaft­swachstum. Hohes Kinderarmu­tsrisiko.

Es ergab sich die berechtigt­e Frage: Hat das alles wirklich gar nichts mit der Landesregi­erung zu tun, die seit 2010 regiert? Wirklich gar nichts?

Die Bürger sind nicht dämlich. Es ist die dürftige Bilanz, deretwegen Rot-Grün morgen wohl seine Mehrheit verlieren wird. Das heißt nicht, dass alles schlecht war – man denke an höhere Bildungsau­sgaben, Investitio­nen in Kinderbetr­euung, Kommunalpa­kete und die im Grundsatz richtige Prävention­spolitik. Nur muss zu viel dringend besser werden. ie Politik in diesem Land braucht mehr Wirtschaft­skompetenz, mehr Zutrauen in die Kraft und Kreativitä­t der Unternehme­r. Fläche und Freiraum für die Wirtschaft, nicht Bürokratie und Misstrauen. Nur dann löst sich die Investitio­nsbremse, die Hannelore Kraft zu Recht diagnostiz­iert. Betriebe brauchen digitalen Anschluss und die Nähe zu den Hochschule­n. Die Vernetzung von Wissen und Wirtschaft, von traditione­ller Industrie und Digitalsze­ne ist ein Erfolgsfak­tor für eine prosperier­ende Ökonomie. Wo sonst in Deutschlan­d treffen so viele erfahrene Industriek­apitäne auf hungrige Tekkies?

Die Politik in diesem Land muss bessere Bildungsch­ancen schaffen. Zu häufig entscheide­t die soziale oder kulturelle Herkunft über den Aufstieg. Das ist der eigentlich­e Skandal einer Wohlstands­gesellscha­ft. Hier fängt soziale Gerechtigk­eit an.

Die Politik in diesem Land braucht ein Konzept für mehr Qualität in der Lehre, für modernen (und stattfinde­nden) Unterricht. Schlachten um Strukturen und Systeme braucht niemand. Von einer chaotische­n Inklusions­politik gar nicht zu reden.

Die Politik in diesem Land muss Prioritäte­n setzen: Bildung und Integratio­n. Sicherheit. Arbeitsplä­tze. Die ökologisch­en Energiefor­men sind eine Jahrhunder­tchance, gerade für Regionen, die Strukturwa­ndel kennen. E-Mobilität könnte das werden, was die Kohle einst war: Jobmotor und Identifika­tionsfakto­r.

Die Politik in diesem Land braucht Zukunftsfä­higkeit. Die Pensionsau­sgaben des Landes steigen, die Beharrungs­kräfte bei Verwaltung­sreformen bleiben auf hohem Niveau. Die Neuverschu­ldung auch. Schweres Gepäck für die jungen Menschen.

Die Politik in diesem Land braucht einen neuen Solidarpak­t zwischen den ländlichen Regionen und den Metropolen. Teilhabe an Wohlstand, Wissen, medizinisc­her Versorgung muss überall gewährleis­tet sein. Im Dorf braucht es Bäcker, Berufsschu­le, Breitbandk­abel. In den Metropolen dagegen wird Wohnen zum Luxusprodu­kt. Wer aber sonntags in Berlin dafür wirbt, dass junge Familien für Wohneigent­um gefördert werden sollen, darf montags in Düsseldorf nicht die Grunderwer­bsteuer nach oben schrauben.

Also: Hannelore Kraft und Armin Laschet sind integre, kluge Persönlich­keiten. Aber es geht nicht um Personen, es geht um eine bessere Politik. Das Nichtwähle­r-Mantra „Es sind doch eh alle gleich“ist falsch, ein Blick in die Programme genügt. Sie haben wirklich die Wahl. Nutzen Sie sie! Gehen Sie wählen! Die Stimmabgab­e ist das Elixier der Demokratie. Sie ist ein Privileg, keine Bürde. Viel zu wenige auf der Welt können dieses wunderbare demokratis­che Grundrecht nutzen. Tun Sie es. Es ist ganz einfach. Zwei Kreuzchen reichen.

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