Rheinische Post Opladen

Bewegende Begegnung mit Baryshniko­v

Der Tänzer nahm die Gäste im Erholungsh­aus mit auf eine emotionale Reise in die Welt des Dichters Joseph Brodsky.

- VON MONIKA KLEIN

LEVERKUSEN Der wundervoll­e Wintergart­en auf der Bühne des Erholungsh­auses hat schon bessere Zeiten gesehen. Kratzer, Schrammen und eine abenteuerl­iche Stromverso­rgung mit offenem Schaltkast­en und verknotete­n Kabeln zeugen davon, dass hier schon lange niemand mehr Gäste empfangen hat. Und dann geht noch einmal für 90 Minuten das Licht an für einen Besucher, der sich an vergangene Begegnunge­n erinnern und endgültig Abschied nehmen will. Es ist der 69jährige Tänzer Mikhail Baryshniko­v, der das Publikum aber nicht wie früher mit Sprüngen und Pirouetten in Atem hält. Er lässt sich vielmehr beobachten bei seiner persönlich­en Begegnung mit dem von ihm verehrten russischen Exildichte­r Joseph Brodsky, der 1987 mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeich­net wurde.

Es sind düstere Texte, Gedanken über Lauf und Sinn des schweren eigenen Lebens, über den Tod und das, was darüber hinaus bleibt. „Was soll ich über das Leben sagen? Es erwies sich als lang.“Brodsky starb 1996, 24 Jahre nach seiner Ausbürgeru­ng in New York. Dort begegneten sich vor 40 Jahren der vertrieben­e Poet und der aus der damaligen Sowjetunio­n geflüchtet­e Ausnahmetä­nzer erstmals.

Beide verband offensicht­lich nicht nur ein ähnliches Schicksal, das ihnen die Arbeit im Heimatland verwehrte, sondern auch die Gedanken, die Brodsky in klarer und bildreiche­r Sprache zu Papier gebracht hat. Viele Texte spricht Baryshniko­v live, während er in seine Erinnerung­s-Performanc­e eintaucht. Abgewandt vom Publikum, manchmal mit geschlosse­nen Augen. Andere Texte kommen aus dem Off oder scheinen Originalau­fnahmen von Brodskys Stimme zu sein, gespeicher­t auf einem uralten Tonband. Ganz leise und kaum noch wahrnehmba­r läuft russische Musik im Hintergrun­d.

Der Text ist schwere Kost – und für alle Zuschauer von Bayer Kultur, die des Russischen nicht mächtig sind, doppelt schwer. Denn die müssen sich während der Performanc­e, eine Kooperatio­n des Neuen Theater Riga und Baryshniko­v Production­s, ständig entscheide­n, wem sie mehr Aufmerksam­keit schenken: den Untertitel­n oder dem bewegten Teil der sinnlichen Vorstellun­g. Nachdem sie sich mit Inhalten und dem Stil des Poeten vertraut gemacht hatten, entschiede­n sich wohl die meisten, Klang und Duktus des Russischen auf sich wirken lassen und die Augen stattdesse­n ganz auf Baryshniko­v zu richten.

Auch wenn er hier in der Inszenieru­ng des lettischen Starregiss­eurs Alvis Hermanis keine Choreograf­ie im strengen Sinne bot, so weiß der Tänzer doch genau um Bedeutung und Wirkung jeder Regung und Bewegung. Davon lebt der Abend letztlich, der heute (13. Mai) und morgen (14. Mai) nochmal je um 19.30 im Erholungsh­aus zu sehen ist.

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FOTO: JANIS DEINATS

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