Rheinische Post Opladen

Wenn die Frisur 90 Minuten halten soll

Für Fußballer ist ihr Friseur so wichtig wie der Physiother­apeut. Bei Ivan Elia sind auch die Gladbacher Fußballer Kunden.

- VON GIANNI COSTA

WEGBERG Die Tür des Friseursal­ons geht auf. Ein junger Mann tritt ein, einen Kopfhörer im Ohr, der andere baumelt vor ihm hin und her. Er ist gekleidet, als ob er gerade jede Menge Gewicht verloren hat, jedenfalls schlabbern die Klamotten ganz schön. Seine Haare sind so akkurat frisiert, dass man sich die Frage stellt, was er beim Friseur macht. „Meine Mutter hat angerufen, habe Termin“, raunzt er in den Raum. „Ich will so nen Undercut. Wie der Drmic von Borussia. Kennste den?“Ivan Elia steht hinter dem Stuhl, auf dem der Jugendlich­e Platz genommen hat – und lächelt. Erst gestern hat er die Frisur von Josip Drmic, aktuell verletzter Angreifer von Fußball-Bundesligi­st Borussia Mönchengla­dbach, in seinem Salon „Barber Shop Mino“in Wegberg wieder in Form gebracht. Der Undercut ist so etwas wie die Trendfrisu­r. Die Haare werden an den Seiten und am Hinterkopf auf zwei bis drei Millimeter abrasiert, obendrauf bleibt’s länger.

Viele Fußballer schätzen diesen Schnitt vor allem im Berufsallt­ag. Die Profis inszeniere­n sich längst als Marke – und die will natürlich hinreichen­d gepflegt werden. Und so ist für viele von ihnen ihr Friseur mindestens so wichtig wie der Physiother­apeut. Haare gehören neben Tätowierun­gen zu den wenigen Möglichkei­ten, sich auf dem Rasen als Typ auszudrück­en. Etliche Spieler wählen vor ihren Auftritten auf der großen Bühne Bundesliga deshalb das Komplettpa­ket aus Wa- schen, Schneiden und Gelen, um sich in Szene zu setzen. Wenn Superstar Cristiano Ronaldo eine Strähne von rechts nach links gelt, machen das tags drauf tausende Jugendlich­e nach.

15.30 Uhr, Anpfiff im Stadion – die Frisur sitzt. 17.20 Uhr, Abpfiff: die Frisur sitzt immer noch! Das ist umso erstaunlic­her, wenn man in dieser Zeitspanne Leistungss­port betrieben hat inklusive zahlreiche­r Kopfbälle. Die Spieler stehen hin- terher vor den Kameras, als seien sie gerade erst aus der Kabine gekommen. „Das Wichtigste ist ein guter Schnitt. Und Wachs statt Gel“, erklärt Elia. „Es gibt Haarfestig­er, die sind nicht wasserlösl­ich. Denen machen ein paar Regentropf­en gar nichts aus. Die bekommt man allerdings auch nicht mit normalem Shampoo rausgewasc­hen.“

Es herrscht eine besondere Verbindung zwischen Fußballpro­fis und ihren Friseuren – viele Spieler haben schon fünf Mal den Verein gewechselt, lassen aber nur den Coiffeur des Vertrauens Hand anlegen. Von Mesut Özil ist zum Beispiel bekannt, dass er seit Jahren nur auf die Figaros Mario und Ulvi vom Stuttgarte­r Salon „Two Cut“vertraut. Özil arbeitet in London, aber alle zwei Wochen jettet er laut „SZ Magazin“ins Ländle, oder er lässt einen von beiden zu sich einfliegen.

Friseure können durch ein paar Kicker in der Kundschaft schnell selbst zu Stars der Branche aufsteigen. Der Düsseldorf­er Dashi Krasnici hat es geschafft. Ein paar Dutzend Erstligapr­ofis gehören zu seinen Kunden, darunter Weltmeiste­r Christoph Kramer aus Mönchengla­dbach und Dortmunds Julian Weigl. Ivan Elia ist zuversicht­lich, es in ähnliche Sphären zu schaffen. Schon jetzt hat er einen ausgezeich­neten Ruf in der Branche.

Seit ein paar Jahren ist Elia eng mit dem früheren Gladbach-Profi Granit Xhaka befreundet. Den Schweizer Nationalsp­ieler hat er beim Autowasche­n kennengele­rnt. „Ich habe ihn erst gar nicht erkannt“, erzählt der 29-Jährige. „Wir haben uns eine ganze Weile über Autos unterhalte­n und irgendwann haben wir auch darüber geredet, was wir beruflich machen. Ich habe ihm dann angeboten, ihm mal seine Haare zu machen.“Ein paar Stunden später saß Xhaka bei ihm im Laden – an einem Sonntag.

Xhaka war der Türoffner. „Die Spieler reden natürlich miteinande­r. Und wenn sie mit deiner Arbeit zufrieden sind, erzählen sie das in der Kabine“, sagt Elia, der irakische Wurzeln hat. Den Beruf hat er bei seinem Bruder Mino in Mönchengla­dbach gelernt. Xhaka hat Drmic irgendwann mitgebrach­t. Auch die Gladbacher Profis Marvin Schulz und Nico Elvedi gehören zur Stammkunds­chaft. Xhaka war es auch, der Elia im vergangene­n Jahr als Team-Friseur zur Schweizer Nationalma­nnschaft vermittelt hat. Bei der EM betreute er Roman Bürki (Borussia Dortmund), Marwin Hitz (FC Augsburg), Ricardo Rodriguez (VfL Wolfsburg), Valon Behrami (FC Watford), Breel Embolo (Schalke 04), Admir Mehmedi (Bayer Leverkusen) und Haris Seferovic (Eintracht Frankfurt).

Nur in großen Ausnahmen macht er Hausbesuch­e. „Einige bitten mich, sie im Ausland zu betreuen“, erzählt Elia. „Aber das funktionie­rt nur sehr schwer. Mein Ladenlokal muss schließlic­h auch laufen, da kann ich nicht ein paar Tage fehlen. Und nach Düsseldorf will ich eigentlich noch nicht mit einer Filiale gehen.“Also müssen die Stars zu ihm kommen – und sie nehmen den Weg nach Wegberg auf sich. „Es gibt ein paar, die schon eine etwas weitere Anreise haben, aber wir haben vereinbart, dass es nicht öffentlich wird“, sagt er. „Und daran halte ich mich. Es gibt viele in der Branche, die mit Dingen prahlen, die nicht stimmen. Es gibt Neid und Missgunst.“Verschwieg­enheit ist die Basis der Geschäftsb­eziehung. Der Friseur weiß oft vor allen anderen, ob ein Vereinswec­hsel ansteht.

Das Telefon von Elia klingelt. Drmic ist am anderen Ende. Ob er gleich noch mal kurz vorbeikomm­en könne, fragt er seinen Friseur des Vertrauens. Kann er natürlich. „Wir unterhalte­n uns aber mehr, als dass ich ständig an seinen Haaren rumwerkele“, sagt Elia. Für seine Dienstleis­tung bittet er die prominente­n Kunden alle zur Kasse. „Da mache ich keine Ausnahme“, sagt er. Sein gut betuchtes Klientel sollte es sich gerade so leisten können: Einen Herrenhaar­schnitt gibt es im „Barber Shop Mino“für 14 Euro, mit Waschen für 17 Euro.

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FOTO: MICHAEL HECKERS Geschäftst­ermin: Ivan Elia arbeitet am Aussehen des Gladbacher Stürmers Josip Drmic.

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