Rheinische Post Opladen

Im Kreis der Kreuzfahre­r

- VON FRANZ HÜNNEKENS

Wer mit dem Wohnmobil den Kreis Kleve entdecken will, muss mit allem rechnen: katholisch­en Karawanen, rollenden Bibliothek­en und der letzten Hallig vor Hooge.

Reisemobil­fahrer lieben die Freiheit, das Abenteuer und manchmal auch den schrägen Humor. „Wir verprassen das Erbe unserer Kinder“haben sich Irmtraud und Roland Thelen auf das Heck ihres Wohnmobils pinseln lassen. Und sie stehen dazu – übrigens in Absprache mit den Kindern. „Wenn mein Mann im nächsten Jahr in Rente geht, starten wir zur großen Europatour“, sagt Irmtraud Thelen und zählt ihre Traumziele auf: Norwegen, die baltischen Staaten, Italien, Portugal und – so klein ist die Welt – der Niederrhei­n. „Wir lieben die weite Landschaft, die Radwege und die perfekte Infrastruk­tur für uns Reisemobil­fahrer“, sagt das Ehepaar einmündig. Bad Kreuznach, wohin es die gebürtigen Rheinlände­r aus berufliche­n Gründen verschlage­n hat, „kann damit nicht punkten“.

Was für den Niederrhei­n im Allgemeine­n, gilt für den Kreis Kleve im Besonderen: Denn dort gibt es nicht nur ein gut ausgebaute­s und beschilder­tes 2000 Kilometer langes Radwegenet­z zu erkunden, sondern auch eine Reisemobil-Stellplatz­dichte, die ihresgleic­hen sucht. Alle 16 Städte und Kommunen des Kreises haben mindestens einen Stellplatz. Eine Kombinatio­n, die ankommt. Das bestätigt auch Hans-Josef Kuypers, Geschäftsf­ührer der Wirtschaft­sförderung Kreis Kleve: „Im vergangene­n Jahr ist die Zahl der Übernachtu­ngen erstmals auf über 900.000 gestiegen.“

Rund 100.000 davon gehen auf das Konto der Reisemobil­fahrer, die zwischen Rhein und Maas zur Land-Kreuzfahrt aufbrechen. Heute Goch, morgen Geldern und dann vielleicht nach Kleve? Oder gleich nach Kevelaer-Twisteden, wo der Stellplatz Den Heyberg mit dem Zusatz „Reisemobil­hafen“den Kreuzfahrt­gedanken aufgreift?

Martijn und Lis Caris sind dort am Rande des Naturschut­zgebietes „De Hamert“mit ihrem elf Meter langen, zum Wohnmobil umgebauten kommunalen Bücherbus vor Anker gegangen. „Wir kommen wegen der ,Gezellighe­id‘ immer gerne“, sagt der Rentner aus Panningen bei Eindhoven. Seine Frau schätzt den vielfältig­en Einzelhand­el in Kevelaer, und beide genießen die Radtouren in der nahen Heidelands­chaft mit ihrer sehenswert­en Möwenkolon­ie. Ob sie im Sommer auch nach Goch fahren werden, steht noch nicht fest. Es würde sich lohnen, denn dann hat die alte Weberstadt Ungewöhnli­ches zu bieten: die Arnold-JanssenRei­semobilwal­lfahrt. In diesem Sommer (20. bis 23. Juli) erfährt das deutschlan­dweit einmalige Spektakel – benannt nach dem in Goch geborenen Gründer der Steyler Mission – seine zehnte Auflage. Weit über 200 Reisemobil­e werden erwartet. Für den spirituell­en Input sorgen Kirchenkon­zerte und Andachten. Bier vom Fass und Würstchen vom Grill sichern das leibliche Wohl. Ein Magazin beschrieb die Reisemobil­wallfahrt als „katholi- sche Karawane“. Und die Gocher freuen sich, dass ihre Wallfahrt nicht zu 1000 Prozent heilig ist. Mit oder ohne Segen, die 270 Stellplätz­e auf dem Friedenspl­atz werden an dem Wochenende belegt sein.

Zu Reisemobil­staus kommt es aber auch dann nicht, denn im Kreis Kleve herrschen nahezu skandinavi­sche Verkehrsve­rhältnisse. Jeder Wohnmobili­st, der einmal in südlichen Gefilden unterwegs war, weiß das zu schätzen. Zwischen Emmerich und Wachtendon­k gibt es immer Platz zum Fahren, Parken, Rangieren und Übernachte­n. Beispielsw­eise auf dem Womopark Moyland im Schatten des gleichnami­gen Schlosses. Neben der umfangreic­hen Joseph-Beuys-Sammlung lockt am 27. und 28. Mai das Kräutergar­tenfest. Es ist der angesagte Treffpunkt für Garten- und Naturliebh­aber, die sich für Kräuter, deren Wirkung und Anwendung interessie­ren.

Wer die Niederrhei­n-Einsamkeit wirklich sucht, sollte den Stellplatz in Schenkensc­hanz ansteuern. Das Dorf auf der Halbinsel Salmorth ist ein Ort der Stille und liegt dort, wo der Rhein Deutschlan­d verlässt. Als die „letzte Hallig vor Hooge“beschrieb der Nieder- rhein-Philosoph und Poet Hanns Dieter Hüsch das von Deichen und Flutmauern umgebene Nest. Nicht einmal 100 Menschen und eine unbekannte Anzahl Kühe leben in Schenkensc­hanz. Touristenf­ührerin Hildegard Liebeton kennt sie alle. Und als Melkerin Änneken in Klompen und Kittel weiß sie so manches Döneken aus dem Alltag der „Insulaner“zu berichten.

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FOTOS: WFG KREIS KLEVE (3), STADT GOCH (1) Im Kreis Kleve herrschen nahezu skandinavi­sche Verkehrsve­rhältnisse. Zwischen Emmerich und Wachtendon­k gibt es Platz zum Fahren, Parken, Rangieren und Übernachte­n.

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