Rheinische Post Opladen

Bei Geheimdien­sten mangelt es an Datenschut­z-Kontrolle

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Sie ist inzwischen zwar völlig unabhängig von Regierungs­stellen, untersteht nur noch dem Parlament und den Gerichten, doch was die Bundesbeau­ftragte für den Datenschut­z, Andrea Voßhoff, in ihrem jüngsten Bericht beschreibt, zeugt von zahlreiche­n Lücken beim Umgang mit sensiblen persönlich­en Daten in Deutschlan­d. Wichtige Befugnisse seien ihr und ihrem 110köpfige­n Team beschnitte­n worden, so etwa bei der Kontrolle der Nachrichte­ndienste.

Nach Voßhoffs Darstellun­g klemmt es auf dem Feld der Nachrichte­ndienste gleich an drei Stel- len. So vertritt das Bundesinne­nministeri­um die Auffassung, Voßhoff sei zur Kontrolle von Informatio­nen des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz dann gar nicht befugt, wenn diese von einem ausländisc­hen Nachrichte­ndienst in einer gemeinsame­n Datei geführt würden. Zuvor hatte Voßhoff entdeckt, dass darin Vermerke fehlten, wonach bestimmte Erkenntnis­se aus Abhörmaßna­hmen stammten und deshalb besonders behandelt werden müssten. Die vom Verfassung­sgericht eingeforde­rte effiziente Kontrolle auch im Bereich der internatio­nalen Kooperatio­n der deutschen Dienste sei somit „derzeit nicht gegeben“, so Voßhoff.

Sie bemängelt zudem einen Rückschrit­t bei der vorbeugend­en Informatio­n der Bundestags­gremien in Sachen Nachrichte­ndienst-Kontrolle und macht darauf aufmerksam, dass ihr ausreichen­d sicherheit­süberprüft­es Personal fehle, um dringende Kontrollen im Verbund der Nachrichte­ndienste auszubauen. Obwohl sie mit ihrer Arbeit den geforderte­n Ausgleich zu Eingriffen in die Grundrecht­e der Bürger garantiere­n solle, könne sie diese mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht leisten.

Die Datenschut­zbeauftrag­te schaut sich nicht nur an, wie 20 oberste Bundesbehö­rden, 900 Geschäftsb­ereiche, 229 Botschafte­n, 199 Sozialvers­icherungst­räger, 303 Jobcenter und 4000 Dienstleis­ter bei Telekommun­ikation und Post mit Daten der Bürger umgehen, sie reagierte im vergangene­n Jahr auch auf mehr als 21.000 Hinweise und Nachfragen von Bürgern.

Voßhoff stieß dabei auf bedenklich­e Gesundheit­s-Apps. Die erfassen in großem Umfang sensible Körperdate­n, speicherte­n diese aber nur in wenigen Fällen im Smartphone oder Fitnessarm­band selbst, sondern übertrügen die gewonnenen Daten automatisc­h über eine Internetve­rbindung an den Anbieter der App oder sogar an Dritte. Es werde dabei nicht einmal klar, ob die hochsensib­len Informatio­nen im In- oder im Ausland gespeicher­t und zu welchem Zweck sie dann weitervera­rbeitet werden. „Nutzer wissen nicht, was mit ihren besonders schützensw­erten Gesundheit­sdaten geschieht“, kritisiert die Beauftragt­e und warnt deshalb vor „erhebliche­n Datenschut­zrisiken“vieler Gesundheit­s-Apps.

Zweifel hat Voßhoff, ob das neue Fluggastda­tengesetz in Einklang mit den europäisch­en Grundrecht­en steht. Künftig würden in Deutschlan­d Jahr für Jahr von etwa 170 Millionen Passagiere­n die Daten „unterschie­dslos erfasst und über fünf Jahre gespeicher­t“. Vom Europäisch­en Gerichtsho­f erwartet sie bald ein Gutachten dazu.

Grundsätzl­iche Probleme bereitet der Beauftragt­en die Entwicklun­g, dass die Polizei immer mehr Daten zu einer Person mit Ereignisse­n, anderen Personen und weiteren Sachverhal­ten verknüpft. Der geplante polizeilic­he Informatio­nspool sei ein Beispiel dafür, wie der Eingriff in die Grundrecht­e der Betroffene­n immer schwerwieg­ender werde.

„Erhebliche Bedenken“hat Voßhoff zudem gegenüber der neuen Vorratsdat­enspeicher­ung, die ab Anfang Juli startet. Sie will hier ab Herbst verstärkt kontrollie­ren und rechnet damit, dass auch dieses Gesetz beim Verfassung­sgericht und beim Europäisch­en Gerichtsho­f landet.

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