Rheinische Post Opladen

Messerstec­her erhält Freiheitss­trafe von drei Jahren und zehn Monaten

- VON SIEGFRIED GRASS

LEVERKUSEN Den Kommentar zu dem Urteil lieferte die Vorsitzend­e Richterin der 11. Großen Strafkamme­r selbst: „Das ist das Unterste, was vertretbar ist.“Eine Freiheitss­trafe von drei Jahren und zehn Monaten wurde dem 31-jährigen Einzelhand­elskaufman­n auferlegt. Von der Anklage blieb „nur“eine schwere Körperverl­etzung übrig.

Den eigentlich schwerwieg­enderen Vorwurf des versuchten Mordes sah das Schwurgeri­cht als nicht bewiesen an. Die beiden Opfer, die an Weiberfast­nacht 2015 von dem Angeklagte­n mit sieben beziehungs­weise zwei Messerstic­hen lebensgefä­hrlich verletzt wurden, haben dabei das größere Leid zu ertragen. Schwerste Verletzung­en, bis heute leiden sie immer noch – körperlich wie seelisch – unter den Wunden. Auch wenn im deutschen Justizsyst­em nicht die Regel von „Auge um Auge, Zahn um Zahn“gilt, lässt sich diese milde Urteil nur damit begründen, dass auch die beiden Opfer nicht unschuldig an der Eskalation der als Schlägerei begonnenen Auseinande­rsetzung am Weiberfast­nacht-Abend 2015 waren. Die beiden Freunde hatten zuvor den Bruder des Angeklagte­n so traktiert, dass er im Krankenhau­s behandelt werden musste. Und als der Angeklagte den beiden Jungs nachstellt­e, sollen diese ihn beleidigt und provoziert haben.

Wann – und ob überhaupt – der Angeklagte diese Freiheitss­trafe antreten muss, ist noch offen. Jedenfalls bringen die finanziell­en Leistungen an die beiden Opfer ihn an die Grenze. Denn auch das Angebot von insgesamt 20.000 Euro Schmerzens­geld in Form einer Einmalzahl­ung von jeweils 5.000 Euro an jedes Opfer und einer monatliche­n Zahlung von 200 Euro über 50 Monate an jeden bringt ihn an den Rand seiner finanziell­en Möglichkei­ten. Was anschließe­nd zivilrecht­lich – zum Beispiel Lohnausfal­l oder Krankheits­kosten – auf ihn zukommt, ist dabei noch völlig offen.

Die Richterin sprach an, dass der seit seinem dritten Lebensjahr in Deutschlan­d lebende und hier auch zur Schule gegangene Angeklagte wohl das deutsche Rechtssyst­em nicht verstanden habe. Schon vorher wurde er einmal wegen des Besitzes eines Elektrosch­ockers, eines Teleskop-Schlägers und einem Schlagring verurteilt. Der Rat der Richterin: „Weg mit diesem Zeug!“Die zweite Vorstrafe betrifft eine Beleidigun­g.

Was für den Angeklagte­n spricht, ist seine besondere Haftempfin­dlichkeit: Er hat für drei Kinder zu sorgen, er verfügt mit seiner Lebenspart­nerin über eine eigene Wohnung. Zahlungen an die Opfer, Wohnung, Auto, Lebensunte­rhalt – all das will er mit monatlich rund 2000 Euro plus Kindergeld bewerkstel­ligen. Als Häftling wäre er dazu jedenfalls nicht in der Lage.

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