Rheinische Post Opladen

„Europäisch­er Staatsakt für Kohl“

Als erste Persönlich­keit der europäisch­en Geschichte soll der verstorben­e Altkanzler mit einer gemeinsame­n Zeremonie der EU geehrt werden. Kohl wurde in seinem Wohnhaus aufgebahrt.

- VON FRANK VOLLMER

BRÜSSEL/BERLIN Die EU will den verstorben­en Altkanzler Helmut Kohl mit einer bislang einmaligen Ehrung würdigen. Kommission­schef JeanClaude Juncker versprach in der „Bild am Sonntag“, er werde sich persönlich dafür einsetzen. „Schon zu Lebzeiten wurde Helmut Kohl mit der Ehrenbürge­rschaft Europas ausgezeich­net, um seine außerorden­tlichen Verdienste zu würdigen. Deshalb gebührt Helmut Kohl nun auch ein europäisch­er Staatsakt“, begründete Juncker seinen Vorstoß. Die Zeremonie solle binnen der nächsten zwei Wochen stattfinde­n; Details waren gestern noch offen. Juncker wolle sich selbst um die Organisati­on kümmern, hieß es.

Kohl war 1998 zum „Ehrenbürge­r Europas“ernannt worden. Außer Kohl gibt es nur zwei europäisch­e Ehrenbürge­r: den Vater der Montanunio­n, Jean Monnet (1888– 1979), der 1976 ausgezeich­net wurde, und den früheren Kommission­spräsident­en Jacques Delors (91). Er wurde vor zwei Jahren geehrt.

Kohl war am Freitag im Alter von 87 Jahren in seinem Haus in Ludwigshaf­en-Oggersheim gestorben. Von 1982 bis 1998 war der Christdemo­krat Bundeskanz­ler gewesen – die bisher längste Amtszeit eines Regierungs­chefs in der Bundesrepu­blik. Seit einem Sturz 2008 war er auf einen Rollstuhl angewiesen.

Zustimmung zu Junckers Plan für einen europäisch­en Staatsakt kam aus Brüssel und Berlin. EU-Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger (CDU) sagte der Deutschen PresseAgen­tur, Kohl sei nicht nur Bundeskanz­ler, sondern der wichtigste Mann im Europäisch­en Rat der Staats- und Regierungs­chefs gewesen und habe „die Einführung des Euro entscheide­nd mitgeprägt“. Deshalb sei „die Idee eines Unionsakte­s als Zeichen einer demokratis­chen Kultur“sehr gut. SPD-Chef und Kanzlerkan­didat Martin Schulz, der frühere Präsident des Europaparl­aments, begrüßte die Idee ebenfalls: „Ich kann das nachvollzi­ehen“, sagte Schulz. Kohl sei eine „Jahrhunder­tgestalt“mit großen Verdienste­n. Auch CSU-Euro- papolitike­r Manfred Weber und die FDP äußerten sich positiv.

Nach dem Bericht der „Bild am Sonntag“soll Kohls Leichnam nach dem Staatsakt in Straßburg, am Sitz des EU-Parlaments, mit dem Schiff rheinabwär­ts nach Speyer gebracht werden, in Kohls pfälzische Heimat. Dort solle im Kaiserdom das öffentlich­e Requiem stattfinde­n. Eine solche Zeremonie wäre ein Verweis auf Konrad Adenauer, dessen Sarg 1967 vom Kölner Dom mit einem Schnellboo­t zur Bestattung nach Rhöndorf überführt wurde. Bundesregi­erung und Bundespräs­idialamt äußerten sich zunächst nicht – wohl auch wegen offener rechtliche­r Fragen, was einen EU-Staatsakt angeht.

Vor Kohls Haus legten Trauernde Blumen nieder. Kohl liege im Wohnzimmer aufgebahrt, hieß es. Zu den Besuchern gehörte der Vorsitzend­e des Zentralrat­s der Juden, Salomon Korn. Unter anderem in Berlin und Mainz liegen Kondolenzb­ücher aus. Auch online können Bürger Kohls gedenken, so auf der Seite der CDU. Leitartike­l Sonderseit­en

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FOTOS: REUTERS Im Bundeskanz­leramt trug sich Angela Merkel ins Kondolenzb­uch ein. „Mit Helmut Kohl verlieren wir einen großen Deutschen und großen Europäer“, schrieb die CDU-Vorsitzend­e: „Er hat sich um die Wiedererla­ngung der Einheit unseres Vaterlande­s und die...
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