May macht der EU ein Angebot
Kein EU-Bürger soll nach dem Brexit das Land verlassen müssen.
BRÜSSEL (dpa) Die britische Regierung will nach dem Brexit keinen EU-Bürger aus dem Land ausweisen. Dieses Angebot unterbreitete Premierministerin Theresa May am Abend beim EU-Gipfel in Brüssel. Niemand, der derzeit rechtmäßig im Vereinigten Königreich sei, solle gezwungen werden, das Land zu verlassen. Familien sollten nicht getrennt werden. Es geht um rund 3,2 Millionen EU-Bürger in Großbritannien, die nach dem Antrag des Landes auf EU-Austritt um ihre Zukunft fürchten. May schlug den Angaben zufolge vor, alle EU-Bürger, die bis zu einem bestimmten Stichtag fünf Jahre im Land waren, sollten einen geregelten Rechtsstatus bekommen. Sie sollten mit Blick auf Kranken- und Rentenversicherung möglichst so wie britische Bürger behandelt werden.
Wer bis zum Stichtag weniger als fünf Jahre in Großbritannien gelebt habe, solle die Gelegenheit bekommen, die fünf Jahre vollzumachen und ebenfalls einen geregelten Status zu bekommen. Die Premierministerin machte auch deutlich, dass die Vereinbarungen auf Gegenseitigkeit basieren sollten.
Der Gipfel der Staats- und Regierungschefs beschloss auch, die europäischen Wirtschaftssanktionen gegen Russland wegen der unzureichenden Fortschritte im Friedensprozess für die Ukraine um weitere sechs Monate zu verlängern. Die EU hatte die Sanktionen gegen Russland trotz Milliardenverlusten für heimische Unternehmen zuletzt im Winter bis zum 31. Juli 2017 verlängert. Zuvor war im Sommer 2016 be- schlossen worden, die Handelsund Investitionsbeschränkungen erst dann aufzuheben, wenn die Vereinbarungen des Minsker Friedensplanes zum Ukraine-Konflikt komplett erfüllt sind. Dies ist noch nicht der Fall. Experten gehen nach Angaben von Diplomaten davon aus, dass die Sanktionen Russland bereits einen dreistelligen Milliarden-Betrag gekostet haben.
Die EU treibt außerdem die gemeinsame Verteidigungspolitik und den Kampf gegen den Terror voran. Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Kollegen billigten den Ausbau der militärischen Zusammenarbeit und einen Verteidigungsfonds für gemeinsame Rüstungsprojekte. Begleitet wurden die einmütigen Entscheidungen allerdings von Misstönen: Der neue französische Präsident Emmanuel Macron provozierte mit scharfer Kritik an osteuropäischen Ländern wütende Reaktionen von dort.
„Manche politische Führer aus Osteuropa“offenbarten eine zyni- sche Herangehensweise gegenüber der EU, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“und anderen Medien. „Die dient ihnen dazu, Geld zu verteilen – ohne ihre Werte zu respektieren. Europa ist kein Supermarkt, Europa ist eine Schicksalsgemeinschaft!“
Aus den gescholtenen Ländern bekam Macron Gegenwind. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán sagte: „Sein Einstand war wenig ermutigend.“Macron habe gedacht, die beste Art der Freundschaft sei, diese Länder zu treten. Auch Warschau reagierte gereizt. Wegen der mangelnden Bereitschaft, Migranten aufzunehmen, hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen, Tschechien und Ungarn eingeleitet.
Rückendeckung bekam Macron von der Bundeskanzlerin. Mit Macron sei sie völlig einer Meinung, dass die EU kein Supermarkt sei, in dem man sich nur die Teile aussuchen könne, die man gerade wolle. Die Europäische Union sei eine Wertegemeinschaft.