Von Jägern und Gejagten
Martin Suters „Die dunkle Seite des Mondes“ist ein wilder Trip.
Ein kleiner blauer Pilz verändert ein ganzes Leben: Eigentlich ist der Wirtschaftsanwalt Urs Blank ein Karrieremensch, ein sich kontrollierender Anzugtyp, der mit seinem Jaguar von Termin zu Termin rast, um möglichst schnell noch mehr Geld zu scheffeln. Doch dann kommt es zu einem Selbstmord, an dem Blank als Anwalt nicht ganz unschuldig ist. Als er schließlich noch das Hippiemädchen Lucille kennenlernt und mit ihr halluzinogene Pilze ausprobiert, wirft ihn das völlig aus der Bahn.
„Die dunkle Seite des Mondes“ist nicht nur für die Hauptfigur ein wilder Trip. Martin Suters Roman nimmt immer mehr Fahrt auf. Er startet ganz gediegen in einer Kulisse der Schnöseligkeit: Blank bewohnt mit seiner Freundin eine luxuriöse Wohnung, in der sie so viel Platz haben, dass sie aneinander vorbei leben können. Er legt viel Wert auf Schein und Statussymbole. Das alles ändert sich aber. Erst langsam: Urs Blank geht nach einem Geschäftstermin im Wald spazieren und vergisst den Zeitdruck. Dann schneller: Blank lernt Lucille kennen, die ihn in eine ganz andere Welt, nämlich in die der Hippies, mitnimmt. Nach seinem Drogentrip, den Suter detailreich beschreibt, driftet Blank ab. Er wird egozentrisch, gewalttätig und skrupellos. Erst tötet er Lucilles Katze, dann Menschen. Immer mehr zieht er sich in den Wald zurück, bis er komplett zum Waldmenschen wird. Auf seinem Weg, den Trip durch den richtigen Pilz ungeschehen zu machen, geht er über Leichen. So wird der Pilzjäger zum Gejagten. Die Polizei sucht ihn. Aber auch sein Gegenspieler Pius Ott hat es auf Blank abgesehen. Der hat Blanks Kanzlei in wirtschaftskriminelle Machenschaften hineingezogen. Ott will Blank beseitigen. Martin Suter versteht es, die Spannung auf die Spitze zu treiben. Das erreicht er auch dadurch, dass er zwischen den Handlungssträngen hin und her wechselt. In der einen Szene geht Blank einen Mann grob an, in der nächsten holt die Polizei eine verkohlte Leiche aus einem abgebrannten Haus. Der Leser malt sich sofort aus, was geschehen sein könnte. Auch der Wechsel der Blickwinkel ist grandios: Blank hält sich während seines Trips für den perfekten Trommler, Lucille beschreibt, wie wenig Gefühl er für den Takt hat.
Autor Martin Suter hat einen vielschichtigen Roman geschaffen, der sich auch mit der Frage nach existenziellen Dingen beschäftigt und den Leser dabei regelrecht auf die „Dunkle Seite des Mondes“– angelehnt an den Song von Pink Floyd – zieht. „DiedunkleSeite des Mondes“,