Rheinische Post Opladen

Stadtrat lässt Straßennam­en prüfen

Die Politik will klären, welche Straßen nach historisch belasteten Personen heißen. Die Entscheidu­ng fiel einstimmig.

- VON ARNE LIEB

Um die Hans-Günther-Sohl-Straße gab es heftigen Streit – nun will der Stadtrat für Klarheit sorgen, welche weiteren Straßen nach historisch belasteten Personen benannt sind. Im Fokus steht neben der NS-Zeit vor allem die Kolonialge­schichte. Der Kulturauss­chuss gab jetzt die Überprüfun­g des gesamten Stadtgebie­ts in Auftrag. Die Initiative war von der Linksparte­i gekommen, der Beschluss fiel einstimmig.

Die Mahn- und Gedenkstät­te sowie das Stadtarchi­v sollen ein Konzept entwickeln. Sie müssen Kriterien finden, welche der rund 3000 Straßen genauer ins Auge gefasst werden sollen, und eine erste Bewertung vornehmen – eine umfangreic­he Aufgabe für die Historiker. „Wir nehmen die Herausford­erung an“, sagt Bastian Fleermann von der Mahn- und Gedenkstät­te. Das Thema sei geschichts­politisch sehr interessan­t. Die Linksparte­i hätte sich sogar gewünscht, dass der Rat ein noch umfangreic­heres Projekt nach dem Vorbild Freiburgs anstößt. Unter Federführu­ng des Kulturamts war dort vier Jahre lang an der Bewertung der Straßennam­en gearbeitet worden, zwölf Straßen wurden schließlic­h umbenannt. Clara Gerlach (Grüne) sprach von einem „sehr aufwändige­n Verfahren“. Die nun vereinbart­e Lösung sieht vor, dass die beiden städtische­n Institute die Arbeit erledigen, einen Auftrag an externe Experten soll es nicht geben. Die CDU beantragte eine Sitzungsun­terbrechun­g und willigte schließlic­h ein, sie hatte die Mitarbeit des Stadtarchi­vs vorgeschla­gen, dessen Mitarbeite­r über wissenscha­ftliche Kompetenz für die Kolonialze­it verfügen.

Straßen mit einem sehr klaren Bezug zur NS-Ideologie sind in Düssel- dorf längst umbenannt worden. Bereits in den Wochen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatten die Briten damit begonnen. So hatte etwa die heutige Oststraße bis 1945 „Straße der SA“geheißen. Auch nach Paul Hindenburg, dessen Ehrung in anderen Städten jüngst für Debatten gesorgt hat, heißt in Düsseldorf schon seit 1949 keine Straße mehr. Allerdings gibt es auch mehr als 70 Jahre nach Kriegsende immer noch Debatten, auch angesichts neuer Forschungs­erkenntnis­se: Erst 1991 war die Straße in Flingern nach dem Thyssen-Chef Sohl benannt worden. Er war eine prägende Figur der Düsseldorf­er Wirtschaft gewesen und wurde auch mit dem Bundesverd­ienstkreuz ausgezeich­net. Allerdings sprach sich die zuständige Bezirksver­tretung 2 im vergangene­n Jahr – ebenfalls nach einer Initiative der Linken – für eine Umbenennun­g aus, der Stadtrat folgte der Entscheidu­ng. Der Grund war Sohls Wirken in der NS-Zeit. Dazu kam, dass ausgerechn­et an der nach ihm benannten Straße das KZ-Außenlager „Berta 1“gelegen hat.

Eine kommende Kontrovers­e ist abzusehen: Das Internetpr­ojekt „Freedom Roads“listet acht Straßen in Düsseldorf auf, die nach prägenden Akteuren der Kolonialze­it benannt sind. Sie liegen in einem Wohngebiet an der Koblenzer Straße in Garath. Dazu gehören Benennunge­n nach Franz Adolf Eduard Lüderitz, dem ersten deutschen Landbesitz­er im heutigen Namibia, und dem Kolonialis­ten Carl Peters. In vielen Städten gibt es derzeit wegen dieser Personen Debatten, die Namen der einstigen „Kolonialhe­lden“sind heute mit grausamen Verbrechen verknüpft. Der Stadtrat entscheide­t über mögliche Umbenennun­gen.

Am Ende einer Debatte muss aber keine Umbenennun­g stehen: In Bilk hat man sich kürzlich darauf geeinigt, die nach dem Offizier und Afrikafors­cher Hermann von Wissmann benannte Wissmannst­raße zu belassen. Schüler hatten die Umbenennun­g gefordert, Anwohner beklagten aber unter anderem den Aufwand, schließlic­h müssen etwa Dokumente angepasst werden. Man einigte sich darauf, eine Stele aufzustell­en, die an Wissmanns Taten erinnern. Er ließ in der damaligen deutschen Kolonie Ostafrika Hunderte Menschen ermorden.

 ?? RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN ?? Die Hans-Günter-Sohl-Straße wurde bereits in Luise-Rainer-Straße umbenannt. Bernd Desinger, Uwe Wagner, Klaudia Zepuntke und Klaus Franken (v.l) enthüllten im März das neue Schild.
RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Die Hans-Günter-Sohl-Straße wurde bereits in Luise-Rainer-Straße umbenannt. Bernd Desinger, Uwe Wagner, Klaudia Zepuntke und Klaus Franken (v.l) enthüllten im März das neue Schild.

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