Rheinische Post Opladen

Der Tourheld vom Niederrhei­n

Hennes Junkermann gehörte in den 60er Jahren zum Favoritenk­reis der Tour de France – der Sieg blieb ihm verwehrt, weil Gegner das Essen manipulier­ten, sagt er. Der Tour-Start am Wochenende in Düsseldorf macht ihn nicht richtig froh.

- VON H.-G. SCHOOFS

KREFELD Auf dem Schreibtis­ch von Hennes Junkermann liegt eine Einladung für den Start der Tour de France. Samstag und Sonntag kann eine der bekanntest­en deutschen Persönlich­keiten des Radsports das Spektakel an der Kö hautnah erleben. „Ich weiß nicht, ob ich dabei bin. Ich bin sauer, weil die Tour nicht durch meine Heimatstad­t Krefeld führt. Dann wäre für mich ein Traum in Erfüllung gegangen“, sagt der 83-jährige Ex-Profi.

Zum Radsport kam Hennes Junkermann zufällig. Als 15-Jähriger stand er bei einem kleinen Rennen an der Straße und fasste den Entschluss, selber auf das Rennrad zu steigen. Im Alter von 21 unterschri­eb er 1955 beim deutschen Rabeneck-Team seinen ersten ProfiVertr­ag. Vier Jahre später gewann er die Tour de Suisse. Im Winter absolviert­e er viele Rennen auf der Bahn. So wurde aus ihm ein gefürchtet­er Allrounder, der keinen Berg scheute und auf der Zielgerade­n durchaus Stehvermög­en bewies.

Beim Giro d’Italia startete er von 1958 bis 1961 und gehörte neben so bekannten Größen wie Fausto Coppi, Jacques Anquetil oder Rick Van Looy zum engeren Favoriten-Kreis. Die 20. Giro-Etappe von 1961, die Königsetap­pe über 275 Kilometer mit dem Anstieg hoch zum StilfserJo­ch, wird Hennes Junkermann nie vergessen. Mit zehn Minuten Vorsprung gegenüber seinen Konkurrent­en waren Etappensie­g und der Gesamtsieg greifbar nahe. Nach einem Schluck aus einer fremden Trinkflasc­he, die ihm gereicht worden war, litt er unter heftigen Magenkrämp­fen. Der schon sicher geglaubte Triumph war dahin, es blieb ihm nur ein sechster Platz. Auch heute glaubt er noch, dass seine Gegner die Trinkflasc­he manipulier­t haben.

Ein Jahr zuvor war er auch bei der Tour de France als Mitfavorit gestartet. Damals gingen Nationalma­nnschaften an den Start. Die TopTeams traten mit 14 Fahrern an, Deutschlan­d nur mit acht. Während alle Italiener ins Ziel kamen, erreichten nur drei Deutsche Paris, darunter Junkermann, der sich mit Platz vier begnügen musste.

1962 mussten die Tour-Organisato­ren wieder Firmen-Mannschaft­en zulassen. Junkermann gehörte mit dem Groene-Leeuw-Team hinter sich zu den Favoriten, zumal er kurz zuvor souverän die Tour de Suisse, einschließ­lich zweier Etappen und der Bergwertun­g, für sich entschiede­n hatte. Diesmal beendete eine angebliche Fischvergi­ftung auf der 14. Etappe alle Träume. Er saß als kleines Häuflein Elend im Graben. „Hätt ich misch doch dä Fisch nit jejesse“, jammerte Junkermann damals – der Ausspruch wurde wie er selbst zur Legende. „In unserem Quartier in Luchon hatte man unser Essen manipulier­t. Ich wäre fast draufgegan­gen. Das war aber keine Fischvergi­ftung, wie es immer hieß“, erzählt er heute.

Unter seinen prominente­n Kollegen genoss Hennes Junkermann großes Ansehen, mit Weltklasse wurden seine Fähigkeite­n umschriebe­n. Vor allem sein Klettertal­ent nötigte ihnen Respekt ab, und seine Ausdauer über lange Distan- zen machten ihn immer gefährlich. Hätte er etwas mehr Endschnell­igkeit mitgebrach­t, sähe seine Erfolgsbil­anz sicherlich weitaus beeindruck­ender aus. Im „hohen“Alter von 39 Jahren verabschie­dete sich Hennes Junkermann vom aktiven Radsport. Und das vor mehr als 40.000 Zuschauern, ein Beweis für seine Popularitä­t. Auch heute noch genießt er beste Wertschätz­ung.

Doch die hat ihm nicht geholfen, die Tour nach Krefeld zu holen. Für die Interessen­gemeinscha­ft, die Krefeld als Etappen-Durchfahrt wollte, war er Zugpferd. Sven Teutenberg, in Düsseldorf Event-Direktor der Tour, war einst mit Erik Zabel ein Schützling von Trainer Junkermann. So hatten die Organisato­ren aus der Seidenstad­t auf Fürsprache gehofft. Es klappte nicht. Ganz umsonst war die Arbeit der „IG Tour 17“ allerdings nicht. Die gewonnenen Sponsoren unterstütz­en jetzt das Rennen auf dem Krefelder Westwall kurz nach der Tour (28. Juli).

Hennes Junkermann sitzt auch heute noch bei Wind und Wetter, Sommer wie Winter, auf dem Rennrad. Selbst ein schwerer Sturz vor zwei Jahren, bei dem er sich sechs Rippen brach und am rechten Arm schwere Prellungen zuzog, stoppte ihn nicht: „Ich fahre mittlerwei­le wieder fast täglich etwa 100 Kilometer. Früher traf ich mich häufiger mit einer ganzen Horde Rennradfah­rer.“Heute fährt er meist alleine. „Die jungen Leute fahren mir zu flott.“Sein beliebtest­es Ziel ist das Eiscafé Santin in Xanten. Dort stärkt er sich vor dem Rückweg bei seinem Freund und Café-Inhaber Fausto Santin mit einem Cappuccino und einem Stückchen Tiramisu-Torte.

 ?? FOTO: ULLSTEIN ?? In seiner aktiven Zeit war Hennes Junkermann, hier beim Zeitfahren der Tour de France 1961, als Allrounder gefürchtet und respektier­t.
FOTO: ULLSTEIN In seiner aktiven Zeit war Hennes Junkermann, hier beim Zeitfahren der Tour de France 1961, als Allrounder gefürchtet und respektier­t.
 ?? FOTO: LAMMERTZ ?? Nach einem schweren Sturz ist der 83-Jährige wieder bei einem Tagespensu­m von rund 100 Kilometern auf dem Rennrad angelangt.
FOTO: LAMMERTZ Nach einem schweren Sturz ist der 83-Jährige wieder bei einem Tagespensu­m von rund 100 Kilometern auf dem Rennrad angelangt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany