Rheinische Post Opladen

Belastungs­test auf der Wupperbrüc­ke

Ein 34 Tonnen schweres Feuerwehrf­ahrzeug lieferte den Statikern in Nesselrath gestern wichtige Daten.

- VON PETER CLEMENT

LEICHLINGE­N Wird die Sperrung der maroden Wupperbrüc­ke zwischen Nesselrath und Haasenmühl­e ein Dauerzusta­nd? Gibt es eine Chance, zumindest Fahrradfah­rer und Fußgänger wieder zuzulassen? Oder ist sogar denkbar, dass eine Fahrbahn wieder für den Verkehr bis 3,5 Tonnen freigegebe­n wird? All diese Fragen dürften den Experten des Rheinisch-Bergischen Kreises und der Stadt Solingen gestern Morgen durch den Kopf gegangen sein, als sie an der gesperrten Wupper- Karsten Ditscheid brücke gespannt beobachtet­en, wie sich ein mit blauer Plane abgedeckte­s Seil spannte.

An dessen Haken hing ein 34 Tonnen schweres Fahrzeug der Solinger Feuerwehr – der Belastungs­test. Kein Fahrer war im Führerhaus, kein Mitarbeite­r stand auf der Brücke. „Viel zu gefährlich“– da waren sich Diplom-Ingenieur Karsten Ditscheid von den Technische­n Betrieben Solingen (TBS) und seine Kollegen aus der Bergisch-Gladbacher Kreisverwa­ltung einig: „Die Brücke in ihrem jetzigen Zustand ist unge- fähr so biegbar wie eine Salzstange“, verdeutlic­hte der Experte. Das mache sie so gefährlich – und genau deshalb sei sie vor zwei Wochen auch gesperrt worden.

Radfahrer und Fußgänger müssen seitdem die nahegelege­ne Juckelbrüc­ke zwischen Kradenpuhl und Horn benutzen, Autofahrer und Linienbuss­e die ausgeschil­der- te Umleitung über Ziegwebers­berg und Solingen-Aufderhöhe.

Mit dem Test gestern wollten die Verantwort­lichen den Hoffnungen auf eine zumindest teilweise Freigabe des Bauwerks begegnen. Denn während oben der 34-Tonner fünf Mal hin und her gezogen wurde, sammelten unter der Brücke Gutachter an sieben ausgewählt­en Stel- len Daten über zusätzlich­e Risse oder andere Schäden. Diese werden nun ausgewerte­t und in eine Risikobere­chnung einbezogen. Danach soll die Entscheidu­ng fallen. Alle Beteiligte­n hoffen, dass dies noch vor den Sommerferi­en geschieht. Die Zeit drängt, denn während im Hintergrun­d bereits an einer Behelfsbrü­cke gearbeitet wird und auch die Planungen für das neue Bauwerk in Gang gesetzt werden, stehen die Ordnungskr­äfte in Nesselrath nahezu täglich vor dem Phänomen, dass Leute die Absperrung­en bewusst umgehen und die Brücke überqueren – einige sogar mit dem Auto.

Nina Lajios ist Projektlei­terin bei den TBS und unter anderem mit der Absperrung der Wupperbrüc­ke betraut. Sie sagt: „Jeder, der sich zurzeit über die Sperren hinwegsetz­t und auf die Brücke begibt, handelt in höchstem Maße unverantwo­rtlich.“Ihr Kollege Ditscheid fügt hinzu: „Das ist ungefähr so, als würde Ihnen ein Statiker nach einem Erdbeben sagen, Sie müssten sofort Ihr Haus verlassen, weil akute Lebensgefa­hr bestehe – und Sie bleiben einfach dort wohnen.“

Die Gefahr hier äußere sich nicht in Form von vielen Rissen, trotzdem sei sie groß. Das 1958 beim Bau der Brücke zwischen Solingen und Leichlinge­n verwendete Material hatte sich als anfällig für die „Spannungsr­iss-Korrosion“herausgest­ellt. Durch sie hat es in der Vergangenh­eit bereits spektakulä­re Unfälle gegeben. Die Kongressha­lle Berlin etwa stürzte am 21. Mai 1980 wegen Spannungsr­isskorrosi­on der BetonStahl­drähte teilweise ein. Am 9. Mai 1985 stürzte gegen 20.30 Uhr die Betondecke eines Hallenbade­s im Schweizer Ort Uster ein, die an Ankern aus Stahl aufgehängt war. Zwölf Menschen starben, 19 wurden verletzt.

„Die Brücke in ihrem jetzigen Zustand ist ungefähr so biegbar wie eine Salzstange“ Technische Betriebe Solingen

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FOTO: RISCHE Das Fahrzeug der Solinger Feuerwehr war unbemannt und wurde mit Seilen mehrfach über die gesperrte Wupperbrüc­ke gezogen.

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