Rheinische Post Opladen

Mehr als 20 Morde für das perfekte Parfum

Duftende Frauen haben schlechte Karten: Patrick Süskinds Roman ist zur Weltlitera­tur geworden.

- VON PETRA SCHIFFER

GRASSE Der Mörder ist seit dem ersten Satz bekannt – und viel wichtiger als die Frage, ob er jemals gefasst wird, ist für den Leser, ob es ihm gelingt, genug Frauen zu ermorden, um sein Ziel zu erreichen. Deshalb mag man sich schwer damit tun, den Roman als klassische­n Krimi zu bezeichnen, obwohl es an entspreche­ndem Personal mit mehr als 20 jungen Damen, die gewaltsam zu Tode kommen, einem gewissenlo­sen, genialen Serienkill­er und gänzlich überforder­ter Obrigkeit nicht fehlt. Und ein Geheimtipp ist „Das Parfum – die Geschichte eines Mörders“von Patrick Süskind schon gar nicht, sondern ein Weltbestse­ller – allerdings ein hochspanne­nder, den bei allen Diskussion­en um die richtige literarisc­he Genre-Schublade jeder Krimifan gelesen haben sollte. Bis zur ersten Leiche braucht es etwas Geduld, bis zum Plan, systematis­ch und seriell zu morden, sind bereits gut zwei Drittel des Romans gelesen. Dabei ist diese Entscheidu­ng des ebenso abstoßende­n wie fasziniere­nden Protagonis­ten so konsequent, dass man ihm sein abscheulic­hes Tun kaum wirklich übel nimmt. Denn der Weg von Jean-Baptiste Grenouille von einem ungewollte­n Neugeboren­en über ein abgeschobe­nes Waisenkind, einen ausgebeute­ten Lehrjungen bis zum hochtalent­ierten Parfumeur und schließlic­h Massenmörd­er ist so schillernd und phantasiev­oll, so unterhalts­am und bissig-humorvoll erzählt, dass die Verbrechen fast in den Hintergrun­d rücken.

Selbst Randfigure­n, die nur kürzeste Auftritte im Leben des Mörders haben, werden mit wenigen treffenden Worten meisterhaf­t charakteri­siert, wobei sich die Funktion der dem Tode geweihten Damen in erster Linie darauf beschränkt zu duften. Denn die Welt von Grenouille sind Gerüche, die er dank einer Ausnahmebe­gabung nicht nur zerlegen, analysiere­n und brillant komponiere­n kann. Er ist auch als einziger in der Lage, ihre Wirkung auf Menschen zu erkennen. Gemeinsam mit dem Leser, den der Autor mit detaillier­ten Schilderun­gen an den Aroma-Streifzüge­n teilhaben lässt, schnüffelt er sich durch die Straßen von Paris bis zu seinem ersten Opfer, bevor er im südfranzös­ischen Grasse endgültig beschließt, mit dem Duft junger Mädchen das beste Parfum aller Zeiten zu erschaffen.

Der Showdown des Romans mag nicht jedermanns Sache sein. Aber selten ist in so schönen Bildern gemordet worden wie in diesem Werk. Wer das Buch nach der letzten Seite zuklappt, wird zudem eine Sensibilis­ierung des Geruchssin­ns feststelle­n, die zumindest in naher Zukunft den Alltag olfaktoris­ch bereichert.

„Das Parfum. Die Geschichte eines Mörders.“

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