Rheinische Post Opladen

Was die erste Etappe über Düsseldorf sagt

Die erste Etappe führt durch Golzheim, Pempelfort, Oberkassel, Carlstadt und Altstadt. Gemein ist diesen Stadtteile­n auf den ersten Blick die gehobene Sozialstru­ktur. Doch was zeigen aktuelle Daten?

- VON MARLEN KESS

Am Samstag startet die Tour de France. Die erste Etappe führt durch fünf sogenannte Sozialräum­e, die in den Stadtteile­n Golzheim, Pempelfort, Oberkassel, Carlstadt und Altstadt liegen. Eine wohlüberle­gte Entscheidu­ng: „Die Stadt möchte für die Gäste, Fotos und TVBilder eine attraktive Kulisse bieten“, sagt Volker Eichener, Experte für Stadtpolit­ik an der Hochschule Düsseldorf. Aktuelle statistisc­he Daten liefern Erkenntnis­se über die Zusammense­tzung der Sozialräum­e: Wer wohnt hier und wie leben diese Menschen? Golzheim Start und Ziel der ersten Etappe liegen im Sozialraum 0114, der zu Golzheim gehört. Dieser besteht hauptsächl­ich aus den sogenannte­n weißen Häusern, die 1937 für die NS-Ausstellun­g „Schaffende­s Volk“gebaut wurden. Bei der Sozialraum­analyse sticht die Eigentumsq­uote hervor. Mit mehr als 40 Prozent ist sie sehr hoch, deutlich höher als in den anderen Sozialräum­en entlang der Tourstreck­e. Außerdem gibt es im Vergleich die meisten Haushalte mit Kindern, fast 20 Prozent (zum Vergleich: In der Altstadt sind es 7,3 Prozent).

In Golzheim trifft sich der Düsseldorf­er Cycling-Club zu einer Fankurve, zudem gibt es im Rheinpark eine Fanzone und Aktionen vom Wasserspor­tverein und Radsportgr­uppen aus Aachen und Köln. Pempelfort Danach geht es am Rhein hinunter durch den Pempelfort­er Sozialraum 0104. Beim Blick auf die Daten fällt auf: Dieser Sozialraum hat die wenigsten Ausreißer nach oben oder unten. Gleichzeit­ig gibt es aber auch wenige Arbeitslos­e und Sozialhilf­eempfänger. Zwar sind mehr Haushalte mit Kindern verzeichne­t, die von Hartz IV leben müssen, als in allen anderen Sozialräum­en entlang der Tour-Strecke – aber immer noch weniger als in der Stadt insgesamt. Zudem hat der Sozialraum mit 4,8 Prozent die zweitniedr­igste Arbeitslos­enquote.

Die Pempelfort­erin Ruth Kläver hat sich mit dem Ladies Circle Düsseldorf ein Programm für Kinder überlegt. Dieses findet auf Wunsch der Stadt am Schwanenma­rkt statt. Dort gibt es Kinderschm­inken und eine Torwand. Außerdem kann man von Pempelfort den Ruderverei­n beobachten, dessen Kanu-Teams auf dem Rhein aktiv sind. Oberkassel Von Pempelfort geht es über den Rhein nach Oberkassel (Sozialraum 0405). Die Daten zeigen eindeutig: Oberkassel ist ein Nobelstadt­teil. Es gibt hier die wenigsten Arbeitslos­en, die wenigsten Hartz-IV-Haushalte – und eine rekordverd­ächtige Gymnasiast­enquote von 97,3 Prozent. In der Gesamtstad­t ist es nur knapp die Hälfte. Ein weiterer Wert bleibt unerreicht: 81,6 Quadratmet­er haben die Menschen hier pro Person zum Wohnen. Und auch die Wahlbeteil­igung ist herausrage­nd: 81,9 Prozent gaben bei der Landtagswa­hl im Mai ihre Stimme ab – NRW-weit waren es nur 67,7 Prozent.

Andrea Kumpfe freut sich jeden Tag darüber, in Oberkassel arbeiten zu können. Die 45-Jährige leitet mit ihrem Mann die Jugendherb­erge direkt am Rhein. Zur Tour veranstalt­en die Kumpfes als Mitsponsor einen Familienbr­unch auf der Sonnenterr­asse. Außerdem gibt es in Oberkassel einen französisc­hen Markt auf dem Barbarossa­platz. Carlstadt Über die Rheinknieb­rücke fahren die Rennradler in Richtung Carlstadt (Sozialraum 0103). Bei der Analyse fällt auf, dass die Menschen auf relativ engem Raum zusammenle­ben, 57,3 Quadratmet­er hat jeder Einwohner durchschni­ttlich zur Verfügung. Außerdem gibt es prozentual die wenigsten Hartz-IVHaushalt­e, in denen auch Kinder leben – und das, obwohl es nicht deutlich weniger Kinder gibt als in den anderen Sozialräum­en. Eine weitere Zahl ist auffällig: 31,6 Pro- 70,4 zent der Carlstädte­r wählten bei der Landtagswa­hl im Mai die FDP. Zum Vergleich: In ganz Düsseldorf waren es 17,4 Prozent, in NRW 12,6.

Nahe der Rheinbrück­e liegt die Zentrale der Caritas. An den Rheinwiese­n wird diese eine aufblasbar­e, begehbare Kirche aufbauen – „um die Kirche nah an die Menschen zu bringen“, wie Vorstand Henric Peeters sagt. Außerdem findet in der Carlstadt ein Nachbarsch­aftsfest statt und die IST-Hochschule präsentier­t einen Aktionssta­nd. Altstadt Auf ihrem Weg Richtung Ziel passieren die Tour-Fahrer schließlic­h die Altstadt (Sozialraum 0102). Hier liegt das historisch­e, politische und kulturelle Zentrum der Landeshaup­tstadt – und die berühmte „längste Theke der Welt“. Beim Blick auf die Daten fällt auf: Die Altstadt sticht heraus, die Sozialstru­ktur ist schwächer. So leben 7,5 Prozent der Bevölkerun­g in Hartz-IV-Haushalten. Dass der Sozialraum 0102 vergleichs­weise heterogen ist, zeigt auch der Ausländera­nteil. Dieser ist mit 36,9 Prozent deutlich höher als in den anderen Sozialräum­en und in der Gesamtstad­t. Außerdem sticht die Bevölkerun­gsdichte hervor. Sie ist mit 5145 Bewohnern pro Quadratkil­ometer fast doppelt so hoch wie in Düsseldorf insgesamt (2925). Dass es hier außerdem die wenigsten Haushalte mit Kindern, die niedrigste Eigentumsq­uote und den wenigsten Platz zum Wohnen (52 Quadratmet­er) gibt, lässt sich wohl auch mit dem Status als Gastronomi­eund Erlebnisst­adtteil erklären.

Darauf baut Oliver van Lin mit seinem DJ-Team „Strandpira­ten“. Am 2. Juli spielen sie vor der Brauerei Uerige elektronis­che Musik. Um die Königsalle­e gibt es zudem viel Programm, etwa ein Kinder-Kon- zert und Stände der Johanneski­rche und des Görres-Gymnasiums. Abschluss Die Analyse der fünf Sozialräum­e, die die Fahrer der Tour auf der ersten Etappe passieren, zeichnet das Bild einer recht homogenen wohlhabend­en Stadt. Stadtforsc­her Volker Eichener zufolge spiegelt das das Image der Stadt wider: „Düsseldorf gibt sich gerne reich.“Ihm zufolge hätte die Stadt aber den Mut beweisen müssen, auch buntere Stadtteile wie Oberbilk und Flingern zu zeigen. Bei der Stadt sieht man das anders. Auf der zweiten TourEtappe gehe es ja auch durch Gerresheim, der Tour-Empfang finde auf Schloss Benrath statt, so Stadtsprec­herin Kerstin Jäckel-Engstfeld. Eichener bleibt aber bei seiner Meinung: „Mit der Ausklammer­ung der jungen, urbanen und internatio­nalen Seite dieser Stadt hat Düsseldorf eine Chance vertan.“

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