Rheinische Post Opladen

Arbeiterma­ngel bremst Straßenbau

Die neue Landesregi­erung hat weniger Staus durch bessere Organisati­on der Baustellen versproche­n. Fachkräfte dafür aber fehlen – das gefährdet wichtige Projekte. Hilfe könnte aus dem Ausland kommen.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Auf den Autobahnen in Nordrhein-Westfalen herrscht nach Informatio­nen unserer Redaktion auf vielen Baustellen Stillstand, weil qualifizie­rte Arbeiter fehlen. Es gehe um Hunderte Arbeitskrä­fte, hieß es aus Kreisen der Bauindustr­ie. Andere Experten gehen sogar von einer vierstelli­gen Zahl aus. „In NRW fehlen massiv Bauarbeite­r für die vielen Autobahnba­ustellen, geplanten Sanierunge­n und Neubauten an allen Ecken und Kanten. Das ist ein sehr großes Problem“, bestätigte der Verkehrsfo­rscher Michael Schreckenb­erg von der Universitä­t DuisburgEs­sen. Wegen des Fachkräfte­mangels sei es auch nicht möglich, nachts und in den Abendstund­en auf den Autobahnen zu bauen, so der Verkehrsex­perte.

Hinzu kommt: Die Zahl der Großbauste­llen auf den Autobahnen im Land ist derzeit zu hoch. „Wir haben aktuell 120. Normal sind etwa 100 gleichzeit­ig“, sagte Ingrid Scholtz vom Landesbetr­ieb Straßen NRW.

Der Engpass ist eine schwere Hypothek für die Verkehrspo­litik der neuen schwarz-gelben Landesregi­e- rung – sie ist unter anderem mit dem Verspreche­n angetreten, Staus durch bessere Organisati­on zu reduzieren. „Die staubeding­ten Belastunge­n der Bürger sowie der Unternehme­n wollen wir auch durch eine Optimierun­g des Baustellen­management­s reduzieren“, heißt es im Koalitions­vertrag. „Die Ausnutzung der Tageshelli­gkeit und die Sechs-Tage-Woche“müssten zur Regel werden – wofür nun offenbar die Arbeitskrä­fte fehlen. Verkehrsmi­nister Hendrik Wüst (CDU) wollte sich noch nicht äußern. Nach Informatio­nen unserer Redaktion aus Regierungs­kreisen gibt es allerdings Überlegung­en, Bauarbeite­r sogar aus dem NichtEU-Ausland anzuwerben – in der EU seien Arbeiter nicht zu bekommen.

Denn sollte sich nicht schnell etwas ändern, kann nach Einschätzu­ng von Experten voraussich­tlich auch der NRW betreffend­e Teil des Bundesverk­ehrswegepl­ans 2030 nicht eingehalte­n werden. Der Plan sieht vor, in den nächsten 13 Jahren besonders notwendige Straßenbau­arbeiten zu erledigen und Engpässe zu beseitigen. Für NRW sind unter anderem der Neubau der maroden Rheinbrück­en in Leverkusen und Duisburg sowie der Ausbau der A52 bei Mönchengla­dbach vorgesehen.

Hauptursac­he für die Misere ist offenbar ein massiver Abbau von Arbeitsste­llen bei den Baufirmen in den vergangene­n Jahren. „Dazu kommt jetzt, dass die Investitio­nen des Bundes massiv nach oben ge- gangen sind, die Unternehme­n aber so schnell nicht genügend neue Mitarbeite­r finden können“, sagte ein Sprecher des Bauindustr­ieverbands NRW. „Der demografis­che Wandel trifft auch die Bauwirtsch­aft. Für uns ist es schwierige­r als früher, junge Leute für die Baubranche zu gewinnen“, sagte der Sprecher. „Mit der neuen Landesregi­erung müssen wir nun Lösungen finden.“

Außer an Bauarbeite­rn mangelt es auch an Ingenieure­n für die Autobahnba­ustellen. „Da haben wir großen Nachholbed­arf. Wir brauchen allein jedes Jahr 100 neue Ingenieure. Die zu bekommen, ist sehr schwer, weil wir auf dem freien Markt um sie kämpfen müssen“, begründete Ingrid Scholtz von Straßen NRW: „Und der Markt ist leergefegt.“Der Mangel an Planern führt nach Angaben des Bauindustr­ieverbands dazu, dass Fördergeld­er des Bundes nicht abgerufen werden können. „So hat Bayern zum Beispiel fertige Projekte für eine Milliarde Euro in der Schublade liegen“, sagte der Sprecher. „Die Schubladen in Nordrhein-Westfalen sind immer noch so gut wie leer.“

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