Rheinische Post Opladen

Experten streiten über Brandursac­he

Einen Tag nach dem Busunfall in Oberfranke­n mit 18 Opfern ist die Ursache für das Feuer noch völlig unklar – mehrere Theorien kursieren. Derweil plant die Politik drastische­re Bußgelder für Gaffer und Blockierer von Rettungsga­ssen.

- VON MARKUS PLÜM

MÜNCHBERG/BERLIN Nach dem verheerend­en Busunglück im oberfränki­schen Münchberg haben Experten mit den Ermittlung­en begonnen. Montagfrüh war ein Reisebus aus Sachsen auf der Autobahn 9 an einem Stauende auf einen Sattelschl­epper geprallt und hatte Feuer gefangen. 18 Menschen starben, 30wurden verletzt. 23 Personen, darunter drei lebensgefä­hrlich verletzte, werden derzeit noch in Kliniken behandelt.

Gestern Mittag teilten Polizei und Staatsanwa­ltschaft mit, dass Fahnder inzwischen die Räume des Busunterne­hmens im sächsische­n Löbau durchsucht haben. Dabei sollen Unterlagen zum Unfall-Bus und zu den beiden Fahrern sichergest­ellt worden sein. Demnach stehe der beim Unfall verstorben­e Busfahrer als möglicher Verursache­r im Mittelpunk­t der Ermittlung­en.

Die Fahnder wollen durch ihre Untersuchu­ngen aber nicht nur die Unfallursa­che, sondern auch den Grund der schnellen Brandausbr­eitung herausfind­en. Laut Deutscher Presse-Agentur haben zwei Sachverstä­ndige für Verkehrsun­fälle und Brände bislang aber keine Anzeichen dafür gefunden, dass der Reisebus bereits vor dem Aufprall auf den Sattelschl­epper gebrannt haben könnte.

Diese Meinung hatte der Leiter der Unfallfors­chung der Versichere­r, Siegfried Brockmann, am Montagaben­d im ARD-Brennpunkt vertreten. „Dafür spricht auch, dass hinter dem Bus eine ganze Menge brennender Teile lag, die dort sonst gar nicht hätten hinkommen können“, sagte Brockmann. Es sei durchaus vorstellba­r, dass die bereits lodernden Flammen durch den Fahrtwind verweht worden sein könnten und dadurch für den Busfahrer zunächst nicht sichtbar gewesen seien. Ein großes Problem seien zudem die in Bussen verbauten Materialie­n: „Sie sind deutlich leichter entflammba­r als die, die die Deutsche Bahn verbauen muss“, kritisiert­e Brockmann.

Andere Experten stützen allerdings die erste Einschätzu­ng der Er- mittler. Sie vertreten die Theorie, dass es aufgrund des Auffahrunf­alls im Instrument­enbrett des Busses, wo die gesamte Elektronik verbaut ist, zu einem Kurzschlus­s gekommen sein könnte, der schließlic­h den Brand ausgelöst habe. Aber auch eine abgerissen­e Kraftstoff­leitung wird als Auslöser des Feuers vermutet. Die ersten Verletzten, die sich noch eigenständ­ig aus dem Bus gerettet haben, könnten die Brandausbr­eitung durch das Öffnen der Türen dann sogar beschleuni­gt haben – laut Johannes Hübner vom Internatio­nalen Bustourist­ik Verband RDA entsteht dadurch ein sogenannte­r Kamineffek­t, der das Feuer mit frischem Sauerstoff versorgt und damit noch verstärkt.

Am Rande des Unfalls kamen derweil Vorwürfe auf, dass uneinsicht­ige Autofahrer das Eintreffen der Einsatzkrä­fte am Unfallort verzögert hätten, weil keine ausreichen­de Rettungsga­sse gebildet worden sei. Zudem hätten Gaffer auf der Gegenfahrb­ahn die Arbeiten der Rettungskr­äfte massiv behindert. Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt und Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (beide CSU) sprachen in diesem Zusammenha­ng von einem „völlig unverantwo­rtlichen und beschämend­en Verhalten“. Hermann forderte daher schärfere Kontrollen auf Autobahnen: Man müsse bei Staus die Fahrer kontrollie­ren und dann sofort ein Bußgeld verhängen.

Diese Forderung hält Oliver Malchow, Bundesvors­itzender der Gewerkscha­ft der Polizei, für nicht umsetzbar. „Das ist realitätsf­ern. So viel Personal haben wir gar nicht, um in Staus derartige Kontrollen durchzufüh­ren. Die Kollegen kommen schließlic­h erst einmal am hinteren Ende des Staus an. Da stellt sich die Frage, wen sie bestrafen sollen“, sagte Malchow auf Anfrage unserer Redaktion. Außerdem sei es bei Unfällen zunächst gar nicht Aufgabe der Beamten, zu kontrollie­ren, ob eine vernünftig­e Rettungsga­sse gebildet wurde. „Die Kollegen, die zu einer Unfallstel­le ausrücken, haben einen gewissen Auftrag und fahren nicht dorthin, um Blockierer oder Gaffer zu kontrollie­ren.“

Daher unterstütz­t Malchow den Vorschlag von Bundesverk­ehrsminist­er Dobrindt, die Bußgelder für Autofahrer, die Rettungsga­ssen blockieren, deutlich zu erhöhen. „Eine Verschärfu­ng des Rechts in diesem Punkt wäre angebracht.“Malchow schränkt aber ein, dass es durchaus zu Situatione­n kommen kann, in denen Autofahrer nur sehr schwer Rettungsga­ssen bilden können, weil der Platz fehlt – zum Beispiel in engen Baustellen.

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FOTO: DPA Einsatzkrä­fte der Polizei und der Feuerwehr auf der A9 bei Münchberg neben dem ausgebrann­ten Wrack des Reisebusse­s. Bei dem schweren Busunfall sind 18 Menschen ums Leben gekommen.

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