Rheinische Post Opladen

Rechtsextr­emist muss nicht ins Jobcenter kommen

- VON TOBIAS GROSSEKEMP­ER

DORTMUND Er zählt zu den Pflichten eines jeden, der Leistungen vom Jobcenter bezieht: der regelmäßig­e Besuch beim zuständige­n Sachbearbe­iter. Wer diesen Pflichten nicht nachkommt, hat mit erhebliche­n Sanktionen zu rechnen, die bis hin zur Streichung von Geld reichen. Doch das gilt offenkundi­g nicht für jeden Kunden: Der einschlägi­g vorbestraf­te Rechtsextr­emist Siegfried Borchardt (63) musste in der Vergangenh­eit nicht vorstellig werden.

Laut seiner Akte, die den „Ruhr Nachrichte­n“in Auszügen vorliegt, wird dem Rechtsextr­emisten eine bedenklich­e Einstellun­g zum Grundgeset­z attestiert. In einer Stellungna­hme des Jobcenters heißt es weiter, man habe als Arbeitgebe­r den Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn „gegenüber eine Fürsorgepf­licht, die zuständige­n Kolleginne­n und Kollegen vor den Auswirkung­en psychische­r oder sogar physischer Gewalt zu schützen“. Dazu gehörten, so das Jobcenter weiter, „neben entspreche­nden Schulun- gen und Weiterbild­ungen auch Absprachen für eskalieren­de, gewaltbeto­nte Situatione­n, die vereinzelt bei Kundenvors­prachen vorkommen können“.

Ob Siegfried Borchardt im Jobcenter bereits gewalttäti­g geworden ist oder ob seine Nichteinla­dung präventiv angewandt wurde, ist unklar. Das Jobcenter will, da es sich um datenschut­zrelevante Auskünfte handelt, darüber keine Auskunft geben. Genauso wenig wie zu der Frage, wann Borchardt zuletzt im Jobcenter war und ob er in Zukunft wieder eingeladen werden wird. Genauso unklar ist, für wie viele Menschen es solche Ausnahmere­geln noch gibt.

Das Jobcenter gibt dazu lediglich die Auskunft, dass es sich um wenige Einzelfäll­e handele, deren Anzahl, gemessen am Gesamtkund­enaufkomme­n (rund 88.000 Menschen), äußerst gering sei. 2016 wurden sieben Hausverbot­e angedroht, 29 ausgesproc­hen und 21 Anzeigen gegen Kunden erstattet.

Der Vermerk ist nach einer ersten Anfrage des WDR zum Thema in- zwischen aus der Akte gelöscht worden. Es war aufgefalle­n, dass ein solcher Eintrag gegen Datenschut­zbestimmun­gen verstößt.

Kritik an der Verfahrens­weise des Jobcenters übt die Ratsfrakti­on „Die Linke&Piraten“. Der Fraktionsv­orsitzende Utz Kowalewski fordert, es dürfe „keine Sonderbeha­ndlung für stadtbekan­nte Nazis im Jobcenter geben“. Seine Fraktion werde am 11. Juli in der Sache eine Dringlichk­eitsanfrag­e im Sozialauss­chuss stellen und einen aktuellen Sachstands­bericht fordern.

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