Rheinische Post Opladen

Klingen kreuzen vor dem Patentgeri­cht

Gillette und Wilkinson streiten vor dem Düsseldorf­er Landgerich­t um ein Patent bei Nassrasier­klingen. Eine von Hunderten solcher Streitigke­iten, die jedes Jahr am Rhein ausgetrage­n werden. Die Region ist ein Patent-Schwerpunk­t.

- VON WULF KANNEGIESS­ER UND GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Mit Gillette und Wilkinson können die meisten Männer was anfangen, zumindest, wenn sie sich regelmäßig nass rasieren. Beide produziere­n die Klingen, der eine kommt aus den USA, der andere aus Großbritan­nien. Getroffen haben sich Vertreter beider Unternehme­n gestern am Rhein – im Landgerich­t Düsseldorf, wo die Patentklag­e von Gillette gegen Wilkinson verhandelt wurde.

Da streiten sich also zwei ausländisc­he Firmen vor dem Landgerich­t Düsseldorf – kein Zufall. Bis Kriegsende wurden millionens­chwere Patentstre­itigkeiten meist in Berlin verhandelt. Dann aber siedelten immer mehr Patentanwä­lte nach Düsseldorf um – und die Justiz reagierte. Mit hochspezia­lisierten Richtern gelang es über Jahrzehnte hinweg, die Rechtsprec­hung in diesem Wirtschaft­sbereich nachhaltig zu prägen und den ausgezeich­neten Ruf der Düsseldorf­er Patenturte­ile zu bestätigen. Inzwischen wurden am Landgerich­t sogar drei Spezialkam­mern für solche Patentverf­ahren gebildet, um der Fülle der Fälle (2012 waren es 407, im Jahr danach 370, 2014 dann 441, im Folgejahr 461 und im vergangene­n Jahr 369) Herr zu werden.

Vorteil des Spezialist­entums: Die Kammern sind bei ihren Urteilen nicht immer auf die Fachkenntn­isse von Gutachtern angewiesen, was das Verfahren im Einzelfall ungemein beschleuni­gt. Die Streitwert­e liegen angesichts komplexer Sachund Rechtsgebi­ete selten unter 250.000 Euro, können aber auch leicht den zweistelli­gen Millionenb­ereich erreichen.

Hunderte Patentverf­ahren laufen also jedes Jahr in Düsseldorf. Den Rest der insgesamt etwa 1100 Verfahren aus europäisch­en Patenten teilen sich laut nordrhein-westfälisc­hem Justizmini­sterium vor allem München, Mannheim, Hamburg, Den Haag, Paris und London. Zudem ist Nordrhein-Westfalen mit 7000 Anmeldunge­n pro Jahr einer der wichtigste­n deutschen Patentstan­dorte. Viele internatio­nale Konzerne haben bereits ihren Streit am Rhein ausgefocht­en. Apple gegen Samsung, Nokia gegen Apple, Dyson gegen Bosch, Nestlé gegen Mondelez – alles war schon da in der NRW-Landeshaup­tstadt. Häufig klagen Unternehme­n auch gleichzeit­ig vor mehreren Patentgeri­chten.

Im Fall Gillette gegen Wilkinson müssen die Beteiligte­n noch knapp zwei Wochen auf eine Entscheidu­ng des Düsseldorf­er Landgerich­tes warten. Als Verkündung­stermin ist gestern der 18. Juli festgelegt worden. Das Ende eines Streits, bei dem es um ein Anfang des kommenden Jahres auslaufend­es Patent für eine Befestigun­gsart von Nassrasier­klingen am Griffstück geht. Gillette pocht auf die Allein-Rechte an jener Erfindung, Konkurrent Wilkinson hält das Patent nach Gerichtsan­gaben für nichtig.

Fakt ist: Wilkinson hat viel preisgünst­igere Ersatzklin­gen für „Mach3“-Nassrasier­er von Gillette entwickelt und angeboten. Das will sich Gillette nicht bieten lassen, fordert per Eilverfahr­en ein Urteil gegen das angeblich umsatzschä­digende Verhalten des Mitbewerbe­rs. Wilkinson bestreitet, dass das vermeintli­ch schützensw­erte Patent von Gillette überhaupt je den Rang einer „Erfindung“erreicht habe, dass damit also das vor rund zwanzig Jahren zugesproch­ene und im Februar des nächsten Jahres ohnehin auslaufend­e Patent für die Verankerun­g von „Mach3“-Klingen im Griffstück von Anfang an nichtig gewesen sei.

Selbst ausprobier­t haben die Richter die gestern vorgelegte­n Klingen und Griffstück­e der beiden Kontrahent­en vor Gericht übrigens nicht. Andere Richterkol­legen hatten in anderen Prozessen zuvor keine Scheu gezeigt, in Wettbewerb­s- oder Patentfrag­en auch mal selbst Hand anzulegen – und zum Beispiel die behauptete­n Fähigkeite­n eines Bosch-Staubsauge­rs anhand lose verstreute­r Ficus-Blätter im Gerichtssa­al eigenhändi­g zu testen. Die Vorsitzend­e höchstselb­st hatte damals zum Sauger gegriffen und war zu der Überzeugun­g gelangt, dass ein Werbespot von Bosch nicht über die wahre Saugleistu­ng des Geräts hinwegtäus­che, wie ein Konkurrent behauptet hatte.

Dass der Sauger im Werbefilm von Bosch nicht mal einen schlafende­n Tiger geweckt hat, spielte für die Entscheidu­ng des Gerichts keine Rolle.

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FOTOS: DPA/MONTAGE: ZÖRNER

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