Rheinische Post Opladen

Wo NRW schon digital ist – und wo nicht

- VON REINHARD KOWALEWSKY UND FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Eins muss man der FDP schon jetzt lassen: Ehrgeiz haben die Liberalen in NRW. Mit Yvonne Gebauer (Bildung), Andreas Pinkwart (Wirtschaft und Digitalisi­erung) und Joachim Stamp (Familie und Flüchtling­e) stellt die Partei nur drei Minister in der Landesregi­erung, hat sich dabei aber für jene Ressorts entschiede­n, in denen mit die größten Herausford­erungen warten. Speziell im Bereich der Schulen und der Wirtschaft wird es auch darauf ankommen, den digitalen Wandel stärker zum Thema zu machen.

Im Koalitions­vertrag haben CDU und FDP bereits eine übergreife­nde Digitalstr­ategie angekündig­t, wie es sie unter der Vorgängerr­egierung nicht gab. Die Frage ist, welche Schritte die Koalition nun gehen muss, um NRW tatsächlic­h zum Digitallan­d Nummer eins zu machen. Personal Pinkwart sagt selbst, dass man auf die richtigen Leute hören muss, wenn man die Digitalisi­erung gestalten und einen Überblick behalten will. Bislang sind diese Köpfe in der Landesregi­erung jedoch kaum zu finden. Pinkwart selbst hat zwar als Rektor der HHL Leipzig Graduate School of Management eine Hochschule geleitet, die sehr viele Gründer hervorgebr­acht hat. Sein Staatssekr­etär Christoph Dammermann hat als ehemaliger Wirtschaft­sförderer der Stadt Hamm eher Erfahrunge­n bei der Ansiedlung von Unternehme­n. Doch das allein wird nicht reichen.

Auch Vorgänger Garrelt Duin (SPD) war kein „Digital Native“, hatte jedoch durch seinen Digitalbei­rat ein Expertengr­emium, aus dem er viel Wissen ziehen konnte. Experten wie der Kölner Wirtschaft­sprofessor Klemens Skibicki halten eine Fortführun­g für sinnvoll: „Auch Sigmar Gabriel hat den Digitalbei­rat seines Vorgängers Philipp Rösler über- nommen, weil er von der fachlichen Ausrichtun­g überzeugt war.“Der SPD-Politiker hatte das Bundeswirt­schaftsmin­isterium vom FDP-Politiker Rößler übernommen. Gründersze­ne Seit Jahren wächst die Zahl der Start-ups in NRW, inzwischen hat jedes fünfte hier seinen Hauptsitz. Mit den von Pinkwarts Vorgänger auf den Weg gebrachten sechs Digital-Hubs soll außerdem der Austausch zwischen Gründern und „alter“Industrie besser werden. Um weltweit mit Standorten wie dem Silicon Valley oder Tel Aviv zu konkurrier­en, muss einerseits deutlich mehr passieren – und es braucht Zeit. Auch das Valley hat sich über Jahrzehnte zu dem entwickelt, was es heute ist.

Schwarz-Gelb will Gründern ein bürokratie­freies Jahr ermögliche­n. Der Erfolg der Start-up-Hubs soll evaluiert werden, um dann zu gucken, wo man nachsteuer­n muss. Das ist der richtige Ansatz. Breitband Das gilt auch beim Ausbau des schnellen Internets. Beim Abrufen der Fördergeld­er vom Bund hat NRW lange gepennt. Von der ersten Tranche bekam NRW von 420 Millionen Euro nur 30 zugeteilt, bei der zweiten waren es sogar nur 25 von 904 Millionen Euro. Doch das Land hatte zuletzt schon unter Rot-Grün aufgeholt: Im März gab es bei der dritten Tranche immerhin 177 von 935 Millionen Euro für NRW. Damit es nun stärker vorangeht, will die neue Landesregi­erung die Kommunen deutlich mehr unterstütz­en, Anträge auf Fördergeld zu stellen, und dafür auch das Beratungsb­üro „Breitband.NRW“ausbauen. „Das erscheint mir sinnvoll, um den Netzausbau voranzutre­iben“, sagt dazu Torsten Gerpott, Betriebswi­rtschaftsp­rofessor aus Duisburg und renommiert­er Telekommun­ikationsex­perte.

Auch bei der Versorgung ist die Situation auf den ersten Blick zunächst gut: Kein Flächenlan­d in Deutschlan­d hat eine bessere Versorgung­squote als NRW. 82,2 Prozent der Haushalte haben hier die Möglichkei­t, Internet mit mehr als 50 Megabit/Sekunde zu empfangen. Bis 2025 will die Landesregi­erung NRW nun sogar zum GigabitLan­d machen, Haushalte und Unternehme­n sollen also Online-Anschlüsse mit einem Übertragun­gstempo von einem Gigabit (1000 Megabit) oder mehr erhalten.

Mit welcher Technologi­e das geschehen soll, lässt die Koalition allerdings offen. Wo neu gebaut wird, soll Glasfaser verlegt werden, gleichzeit­ig ist jedoch auch das Aufrüsten von TV-Kabel eine Option. „Ich sehe das nicht nur positiv“, sagt dazu Gerpott. „Es ist zwar gut, wenn die Landesregi­erung sich zu einer Gigabit-Zielsetzun­g bekennt, aber eine klarere Festlegung auf Glasfaser hätte ich schon erwartet.“ Bildung Bereits unter Rot-Grün wurden über die NRW.Bank Förderpro- gramme gestartet, mit denen sich die digitale Ausstattun­g der Schulen verbessern lässt. Außerdem wurde das Pilotproje­kt „Informatik an Grundschul­en“auf den Weg gebracht. Dennoch warten hier auf die neuen FDP-Minister die größten Hürden. Die Lehrerausb­ildung muss, was Digitalkom­petenz angeht, verbessert werden, die Schulen brauchen eine bessere Ausstattun­g. Schwarz-Gelb will sich darum kümmern – und kündigte bereits an, dass jedes Kind Grundkennt­nisse im Programmie­ren erwerben soll. Ein sinnvoller Informatik-Unterricht braucht jedoch auch das richtige Personal. Bislang fehlen aber auch deshalb Informatik­lehrer, weil das Fach kein Pflichtfac­h ist – die Perspektiv­en nach dem Studium für viele also unklar sind. Weil digitale Köpfe in der Wirtschaft jedoch händeringe­nd gesucht werden, wird es noch wichtiger, den Lehrerberu­f attraktive­r zu gestalten, um sie auch für den Klassenrau­m zu begeistern.

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